Die Beteiligung an einem Shitstorm kann teuer werden. Der Oberste Gerichtshof in Wien hat entschieden, dass ein einzelner Beteiligter allein für den Gesamtschaden haftbar ist und dieser sich selbst die Mühe machen muss, sich anteilig den Schadensbetrag bei den anderen Beteiligten im Rahmen des Regresses wiederzuholen (OGH, Urteil vom 26.04.2024, Az: 6 Ob 210/23k).
Geklagt hatte ein Polizist, der im Februar 2021 im Zuge eines Einsatzes bei einer Demonstration gegen Covid-19-Maßnahmen fotografiert und gefilmt wurde. Das hierbei entstandene Video veröffentlichte ein Dritter auf Facebook und versah es mit dem Begleittext „Lasst dieses Gesicht des Polizisten um die Welt gehen. Dieser Polizist eskalierte bei der Demo in I*. Ein 82-jähriger unschuldiger Mann wurde zu Boden gerissen, verhaftet, und stundenlang verhört. Dieser Polizist ist schuldig.“ Der Polizist war jedoch tatsächlich nur Glied einer polizeilichen Absperrkette gewesen und hatte mit dem Vorfall gar nichts zu tun. Der Beklagte erstellte einen Screenshot des Posts und teilte diesen, ohne zuvor den Wahrheitsgehalt zu überprüfen, bevor er ihn nach sechs Tagen wieder offline nahm. Der klagende Polizist konnte 406 Personen ausfindig machen, die den Beitrag ebenfalls teilten und sich mit abschätzigen und herabwürdigenden Kommentaren beteiligten.
Unaufklärbarkeit der Verursachung einzelner Folgen und Unteilbarkeit des Schadens
Die Vorinstanzen sprachen dem Kläger nur 450€ zu. Der Oberste Gerichtshof verurteilte den Beklagten zur Zahlung des gesamten immateriellen Schadens in Höhe von 3.000 €. Zur Begründung führte er aus, dass nicht festzustellen sei, wie hoch genau der vom einzelnen Beteiligten verursachte Schaden sei. Zudem entstehe aufgrund von Wechselwirkungen und Kausalketten der Beitragsteilungen durch die Beteiligten ein Gesamtschaden, der nicht in viele kleinere Schäden unterteilt werden könne. Es genüge daher der Nachweis des Geschädigten, Opfer eines Shitstorms gewesen zu sein, und dass sich der konkret belangte Schädiger daran rechtswidrig und schuldhaft beteiligt hat.
Rechtslage in Deutschland
Auch in Deutschland ist es grundsätzlich so, dass jemand, der einen Beitrag teilt, hierfür haftbar gemacht werden kann. Dabei stellte sich die Rechtsprechung jedoch bislang grundsätzlich auf den Standpunkt, dass reines kommentarloses Teilen keine Haftung begründe. Dies sei nur dann der Fall, wenn der Teilende sich den Beitrag durch eine zustimmende Kommentierung zu eigen gemacht hat.
Dies stellte das Oberlandesgericht Frankfurt 2015 in seinem Urteil klar (OLG Frankfurt, Urteil vom 26.11.2015, Az.: 16 U 64/15). Die Teilen-Funktion stelle bloß eine Möglichkeit dar, auf private Inhalte anderer Nutzer hinzuweisen und es sei ihr keine über die Verbreitung des Postings hinausgehende Bedeutung zuzumessen.
Dieser Ansicht schloss sich das Oberlandesgericht Dresden 2017 mit seinem Urteil an. Dort entschied es in einem Fall, in welchem ein Facebook-Nutzer einen Beitrag eines Schriftstellers teilte, in dem die Bundeskanzlerin mit Hitler verglichen wurde, und ihn mit dem Begleittext „zu erwägenswert, um ihn zu unterschlagen“ versah. Das OLG Dresden war der Ansicht, dass der Teilende mittels des Begleittextes zum Ausdruck gebracht habe, dass er sich mit dem Inhalt des Ursprungsposts identifiziere und dass darin ein Zu-Eigen-Machen liege und der Teilende deswegen hafte (OLG Dresden, Urteil vom 07.02.2017, Az.: 4 U 1419/16).
Wie ein vergleichbarer Fall, wie er jetzt durch den österreichischen OGH entschieden wurde, von einem deutschen Gericht entschieden werden würde, bleibt abzuwarten.
Urheberrecht
Teilt man einen Beitrag auf Facebook, der urheberrechtlich geschütztes Material oder einen Link zu solchem enthält, ist dies eine Grauzone. Beim Teilen eines bereits geteilten Beitrages sollte man lieber sichergehen, dass der Ursprungsbeitrag vom Urheber zum Teilen freigegeben worden ist. Ist das urheberrechtlich geschützte Material ohne Zustimmung des Urhebers hochgeladen worden, kann ein Teilen dieses eine Urheberrechtsverletzung begründen. Der EuGH entschied 2016, dass das Setzen von Links zu urheberrechtsverletzenden Inhalten eine Urheberrechtsverletzung darstellt (EuGH, Urteil vom 08.09.2016, Az.: C-160/15).
Fazit
Das Teilen von Beiträgen über soziale Netzwerke sollte gut überlegt sein. Man sollte sich immer Gedanken um den Wahrheitsgehalt von Beiträgen machen, aber auch darauf achten, sachlich zu bleiben, keine Personen herabzuwürdigen und das Urheberrecht zu beachten.
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