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Urteil vom 4. Februar 2025 – Az. 6 U 46/24 – Wegweisende Klarstellung zur Anwendung des Fernunterrichtsschutzgesetzes
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit seinem aktuellen Urteil klare Leitplanken für die rechtliche Einordnung von Online-Coaching-Angeboten gesetzt. Im Zentrum stand die Frage, ob ein Mentoring-Programm zum Aufbau einer Online-Marketing-Agentur dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) unterliegt – mit weitreichenden Konsequenzen für Anbieter digitaler Bildungsdienstleistungen.
Der Fall im Detail
Ein 20-jähriger Kfz-Mechaniker in Ausbildung buchte 2023 ein teures Online-Mentoring-Programm (5.950 €), das den Aufbau einer eigenen Marketing-Agentur versprach. Nach Zahlung von vier Raten (1.487,52 €) widerrief er den Vertrag und klagte auf Rückerstattung. Das Gericht bestätigte die Nichtigkeit des Vertrags nach § 7 FernUSG mangels behördlicher Zulassung des Anbieters.
Verbraucherstatus trotz Unternehmensbezug
Entscheidend war die Abgrenzung zwischen Verbraucher (§ 13 BGB) und Unternehmer (§ 14 BGB). Das Gericht folgte der Rechtsprechung des BGH, wonach reine Existenzgründungsvorbereitung den Verbraucherschutz nicht ausschließt. Obwohl das Programm auf spätere Gewerbetätigkeit abzielte, vermittelte es in wesentlichen Teilen erst grundlegendes Wissen zu Businessmodellen, Steuerrecht und Marketingstrategien. Dies qualifizierte den Kläger als Verbraucher, da es ihm die Entscheidungsgrundlage für eine mögliche Gründung gab. Damit sind Anbieter gezwungen, Grundlagen- und Anwendungsteile deutlich zu trennen.
Fernunterrichtsqualität synchroner Online-Formate
Das Urteil definiert erstmals verbindlich, dass Live-Videocoachings unter FernUSG fallen. Entgegen der Auffassung anderer Oberlandesgerichte (OLG Hamburg, OLG Nürnberg) bewertete der Senat synchrone Videointeraktionen als „räumlich getrennt“ i.S.d. § 1 FernUSG. Entscheidend sei der technisch reduzierte Aufwand gegenüber Präsenzlehre und das gesteigerte Missbrauchsrisiko bei digitalen Formaten.
Lernkontrolle 2.0
Für Aufsehen sorgt die Auslegung des Lernerfolgsmonitorings: Regelmäßige Live-Calls und Chatgruppen reichen aus, wenn Teilnehmer aktiv Nachfragen stellen können. Auf formale Prüfungen oder Zertifikate komme es nicht an – eine Revolution für die EdTech-Branche.
Praktische Implikationen
- Zulassungspflicht: Jedes systematische Wissensvermittlungsangebot benötigt FernUSG-Zulassung
- Zielgruppentrennun: Klare Kennzeichnung, ob Inhalte für Laien oder Profis gedacht sind
- KI-Einsatz: Automatisierte Quiztools könnten künftig als Lernkontrolle anerkannt werden
- Metaverse-Risiko: Auch VR-Trainings unterliegen dem FernUSG
Rechtsanwalt Kramarz kommentiert: „Das Urteil zwingt Coaching-Plattformen zur rechtlichen Systemprüfung. Viele Growth-Hacking-Angebote werden jetzt unwirksam – ein Erdbeben für die Startup-Szene.