Künstlermanagementvertrag einer Sängerin als rechtswidriger Knebelvertrag

Management Knebelvertrag in der Musikbranche - Künstler auf der Bühne vor Publikum

Künstlermanagementverträge sind in der Musikindustrie weit verbreitet und sollen grundsätzlich die Interessen von Künstlern und Managern regeln. Allerdings sind diese Verträge nicht immer ausgewogen und fair gestaltet. Einer der bekanntesten Fälle war die Auseinandersetzung zwischen Xavier Naidoo und dem Label 3P. Das OLG Karlsruhe hat damals den Künstlervertrag wegen Sittenwidrigkeit für rechtswidrig erklärt (OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.07.2003, Az.: 6 U 65/02). Vor dem OLG Celle war ein Rechtsstreit um die Gültigkeit eines Modelvertrags zwischen einem Model und einer Agentur anhängig. Eine Klausel, nach der eine Mindestvertragslaufzeit von 5 Jahren mit Verlängerungsmöglichkeit gelten sollte, wurde in diesem Streit für unwirksam erklärt (OLG Celle, Urteil vom 01.04.2021, Az.: 13 U 10/20). Ein eindrucksvolles Beispiel dafür bietet ein Urteil des LG Potsdam, Urteil vom 02.06.2021, Az.: 2 O 101/20, welches einen Managementvertrag einer Sängerin als sittenwidrigen Knebelvertrag eingestuft hat.

Ausgangssituation des Falls

Im Jahr 2017 unterzeichnete eine damals noch minderjährige Sängerin einen Managementvertrag mit einem Musiklabel. Der Vertrag war zunächst auf fünf Jahre befristet und sah zusätzlich eine automatische Verlängerung um weitere drei Jahre vor, sofern keine fristgerechte Kündigung erfolgte. Schon die lange Bindungsdauer allein warf Fragen hinsichtlich der Angemessenheit und Fairness auf.

Hinzu kamen äußerst belastende finanzielle Bedingungen für die Sängerin: Während der Vertragslaufzeit stand dem Management eine Umsatzbeteiligung von 50 Prozent zu. Besonders drastisch waren jedoch die nachvertraglichen Regelungen, wonach das Management sogar nach Ablauf des Vertrages für drei weitere Jahre eine Beteiligung von bis zu 60 Prozent der Einnahmen der Künstlerin verlangen konnte. Ebenfalls vorgesehen waren empfindliche Vertragsstrafen in Höhe von bis zu 15.000 Euro, sollte die Künstlerin gegen Vertragsbestimmungen verstoßen. Des Weiteren wurde im Vertrag das Kündigungsrecht nach § 627 BGB explizit ausgeschlossen.

Urteil und Begründung des Landgerichts Potsdam

Das Landgericht Potsdam erklärte den Vertrag in seinem Urteil für sittenwidrig gemäß § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dabei stützte sich das Gericht insbesondere auf das extreme Ungleichgewicht zwischen den vertraglichen Pflichten und Rechten der Parteien. Es stellte fest, dass die Sängerin durch die Vertragsbedingungen sowohl in ihrer künstlerischen Entfaltung als auch in ihrer wirtschaftlichen Existenz unzumutbar eingeschränkt wurde.

Im Urteil führte das Gericht aus, dass der Vertrag offensichtlich dazu diente, die Künstlerin langfristig an das Management zu binden und ihre wirtschaftliche Selbständigkeit in hohem Maße zu beschneiden. Besonders kritisch wurden dabei die nachvertraglichen Beteiligungen bewertet, da sie dazu führten, dass die Sängerin auch nach Vertragsende finanziell massiv belastet wurde und kaum Möglichkeiten hatte, eigene Projekte unabhängig umzusetzen. Die Richter sahen hierin eine klare Benachteiligung, die weit über das übliche und akzeptable Maß hinausging und somit gegen die guten Sitten verstieß.

Das Gericht hob hervor, dass insbesondere bei minderjährigen Künstlern ein besonders hohes Maß an Schutz und Fairness erforderlich sei, da diese oft nicht in der Lage seien, die Tragweite solcher vertraglicher Verpflichtungen vollständig abzuschätzen. Diese Schutzpflicht sah das Gericht in dem vorliegenden Fall als eindeutig verletzt an.

Bedeutung des Urteils für Künstler

Dieses Urteil setzt ein wichtiges Zeichen in der Musikbranche, insbesondere für junge und unerfahrene Künstler. Es verdeutlicht, dass Verträge nicht beliebig gestaltet werden dürfen und ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen der Parteien notwendig ist. Künstler sollten sich bewusst sein, dass es rechtliche Grenzen für Vertragsgestaltung gibt und dass nicht jede Klausel, die ihnen von Managern oder Labels vorgelegt wird, rechtlich haltbar ist.

Um sich gegen unfaire Vertragsklauseln zu schützen, sollten Künstler Verträge stets vor der Unterzeichnung von spezialisierten Rechtsanwälten prüfen lassen. Faire Vertragsgestaltung umfasst angemessene Laufzeiten, nachvollziehbare Vergütungsregelungen und keine unverhältnismäßig belastenden nachvertraglichen Verpflichtungen. Nur so können Künstler ihre langfristige künstlerische und wirtschaftliche Freiheit sichern.

Fazit

Das Urteil des Landgerichts Potsdam macht deutlich, dass Knebelverträge im Musikgeschäft keine rechtliche Legitimation haben und gerichtlich angefochten werden können. Es stärkt die Position der Künstler gegenüber übermächtigen Managementstrukturen und sendet ein deutliches Signal für mehr Fairness und Transparenz in der Musikindustrie. Künstler sind gut beraten, ihre Rechte aktiv einzufordern und sich umfassend beraten zu lassen, bevor sie langfristige vertragliche Verpflichtungen eingehen.

Managementverträge sind immer wieder Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen. Insbesondere im künstlerischen Bereich werden solche Verträge häufig zu einem Zeitpunkt abgeschlossen, an dem der Künstler noch wenig bekannt ist und daher noch wenig Verhandlungsmacht hat. Entsprechend sind die Verträge oft sehr einseitig ausgestaltet. Später, wenn der Künstler Erfolg hat, kommt es dann zur Auseinandersetzung zwischen Management und Künstler über die Vertragsbedingungen. 

Das Landgericht Potsdam hatte in einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Künstlermanagementvertrags zu entscheiden (). Das Gericht urteilte zu Gunsten der beklagten Künstlerin und beurteilte den Künstlermanagementvertrag als sittenwidrigen Knebelvertrag.

Inhalt des Managementvertrags

Die Auseinandersetzung fand ihren Ursprung im Jahr 2017. Damals hatte die Künstlerin mit dem Musiklabel und Musikmanagement einen Managementvertrag abgeschlossen der unter anderem folgende Regelungen enthielt:

„§ 3 PFLICHTEN der/des GRUPPE/KÜNSTLERS

Der/Die Künstler/Gruppe zeigt sämtlichen Dritten, die im Rahmen seiner/ihrer künstlerischen Tätigkeit an ihn/sie herantreten, seine/ihre generelle Vertretung durch das Management an und verpflichtet sich, über sämtliche diesbezügliche Anfragen das Management sofort zu informieren.

Der/Die Künstler/Gruppe verpflichtet sich, keine vertraglichen Bindungen gegenüber Dritten ohne vorherige Zustimmung des Managements einzugehen, sofern diese vertraglichen Bindungen Bezug auf das gegenständliche Vertragsverhältnis haben. …

§ 4 RECHTE DES MANAGEMENTS

Das Management erhält die alleinige Befugnis, während der Dauer dieses Vertrages den/die Künstler/Gruppe in allen rechtsgeschäftlichen Angelegenheiten, soweit diese Bezüge auf den persönlichen Vertrag haben, nach außen zu vertreten …

Das Management hat die alleinige Entscheidungsbefugnis in allen rechtsgeschäftlichen Angelegenheiten mit Bezug auf das gegenständliche Vertragsverhältnis. …

§ 5 RECHTE DES KÜNSTLERS/DER GRUPPE

Der/Die Künstler/Gruppe hat die alleinige Entscheidungsbefugnis in allen künstlerischen Angelegenheiten. Es besteht Einigkeit, dass hierzu nicht zu rechnen sind Fragen der Ausstattung des/der Künstlers/Gruppe oder seiner/ihrer Auftritte, des Equipments sowie der technischen Anlagen und Geräte des/der Künstlers/Gruppe und seiner/ihrer Auftritte. …

§ 6 ENTGELT; UMSATZBETEILIGUNG; KOSTEN; ABFINDUNG

Das Management erhält von den umsatzsteuerbereinigten Einnahmen und Abzug der dem/der Künstler/Gruppe nachweisbar entstehenden Kosten aus allen dem/der Künstler/Gruppe zustehenden Lizenzen und Tantiemen aus den in § 2 genannten Wahrnehmungen während der Dauer dieses Vertrages eine Umsatzbeteiligung von (50%) …

Es gilt als vereinbart, dass das Management nach Beendigung des Vertrages vom/der Künstler/Gruppe eine Abfindung bezieht. … Darüber hinaus erhält das Management für die Dauer von einem Jahr ab Vertragsende … eine Umsatzbeteiligung in Höhe des im letzten Vertragsjahr geltenden Beteiligungssatzes. Im Zweiten und dritten Jahr nach Vertragsende … erhält das Management eine Umsatzbeteiligung in Höhe von 60 % des im letzten Vertragsjahr geltenden Beteiligungssatzes.

§ 7 LAUFZEIT; OPTION; KÜNDIGUNG

Diese Vereinbarung gilt für die Dauer von 5. Jahren ab Vertragsabschluss.

Die Vereinbarung verlängert sich automatisch jeweils um weitere 3 Jahre, wenn keiner der Beteiligten Parteien 3 Monate vor Vertragsende durch einen eingeschriebenen Brief kündigt.

Eine Vertragsbeendigung erfolgt nur nach vorherigem Ausgleich der noch Forderungen bzw. muss das Künstlerkonto ausgeglichen sein.

Im Hinblick auf die Vertrauensstellung die das Management genießt, ist eine außerordentliche Kündigung gemäß § 627 BGB ausgeschlossen. …

§ 8 GELTUNGSBEREICH

Kommt der/die Künstler/Gruppe seiner Verpflichtungen nicht nach, greift die Vertragsstrafe. (in jedem einzelnen Fall kann das Management eine Vertragsstrafe bis zu 15000,00 € verlangen)“

Zeitgleich wurden mehrere Zusatzvereinbarungen zwischen den Parteien unterschrieben, unter anderem ein „Vertrag für Konzerte u. Provision“. Dieser enthielt unter anderem die folgenden Regelungen:

„ …

  1. Der Künstler / die Gruppe bekommt eine Provision vom Netto Gagenbetrag von

40 % …

  1. Der Vertrag läuft auf unbestimmte Zeit und kann nur mit dem Managementvertrag gekündigt werden. …
  2. Alle Rechte aus Verträgen werden vom Künstler / der Gruppe an die M.-H…GmbH & Co KG übertragen.“

Ferner wurde ein „Shop-Artikel/Verkaufs-Vertrag“ unterzeichnet, der die folgenden Regelungen enthielt:

„ …

  1. Aus den Verkauf erhält dem/der Künstler/ die Gruppe eine Provision vom netto Verkaufspreis von 10 %.

  1. Der Vertrag läuft auf unbestimmte Zeit und kann nur mit dem Managementvertrag gekündigt werden.
  2. Bei Auflösung des Vertrags verpflichtet sich dem/der Künstler/Gruppe die Restbestände aller Waren zum netto Einkaufspreis zzgl. einer Provision von 25 % zu übernehmen. …“

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