Sind Birkenstock-Sandalen urheberrechtlich geschützt?

Urheberrecht Birkenstock

Aktualisierung: BGH bestätigt – Kein Urheberrechtsschutz für Birkenstock-Sandalen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 20. Februar 2025 in drei Revisionsverfahren (Az.: I ZR 16/24, I ZR 17/24, I ZR 18/24) eine wegweisende Entscheidung zum urheberrechtlichen Schutz von Birkenstock-Sandalen getroffen. Das Urteil bestätigt die vorherige Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln und verneint den Urheberrechtsschutz für die bekannten Sandalenmodelle.

Kernpunkte der BGH-Entscheidung

Keine Werke der angewandten Kunst

Der BGH hat entschieden, dass die Sandalenmodelle von Birkenstock nicht als Werke der angewandten Kunst im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG zu qualifizieren sind1. Dies bedeutet, dass die Sandalen keinen urheberrechtlichen Schutz genießen.

Voraussetzungen für Urheberrechtsschutz

Das Gericht betonte, dass für den Urheberrechtsschutz folgende Kriterien erfüllt sein müssen:

  1. Es muss ein gestalterischer Freiraum bestehen.
  2. Dieser Freiraum muss in künstlerischer Weise genutzt worden sein.
  3. Eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe muss erreicht werden.
  4. Die Gestaltung muss Individualität erkennen lassen.

Beweislast

Der BGH stellte klar, dass die Darlegungslast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen bei demjenigen liegt, der urheberrechtlichen Schutz beansprucht.

Bedeutung der Entscheidung

Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für den Schutz von Gebrauchsgegenständen im Urheberrecht:

  1. Abgrenzung zum Designrecht: Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung des Designrechts für den Schutz von Gebrauchsgegenständen.
  2. Höhere Hürden für Urheberrechtsschutz: Für Hersteller wird es schwieriger, langfristigen urheberrechtlichen Schutz für ihre Produkte zu erlangen.
  3. Klarheit für Wettbewerber: Die Entscheidung schafft mehr Rechtssicherheit für Unternehmen, die ähnliche Produkte herstellen möchten.

Fazit

Mit diesem Urteil hat der BGH die Linie des OLG Köln bestätigt und eine klare Grenze zwischen urheberrechtlich geschützten Werken und designrechtlich geschützten Gebrauchsgegenständen gezogen. Für Unternehmen wie Birkenstock bedeutet dies, dass sie sich für den Schutz ihrer Produkte verstärkt auf andere Rechtsgebiete wie das Designrecht oder das Markenrecht konzentrieren müssen.

Für Rechtsanwälte im Bereich des Urheber- und Designrechts ergeben sich aus dieser Entscheidung neue Herausforderungen bei der Beratung ihrer Mandanten. Es wird zukünftig noch wichtiger sein, eine genaue Analyse der Schutzwürdigkeit von Produktdesigns vorzunehmen und gegebenenfalls alternative Schutzstrategien zu entwickeln.

Das Oberlandesgericht Köln entschied in drei Verfahren (OLG Köln, Urteil vom 26.1.2024, 6 U 86/23, OLG Köln, Urteil vom 26.1.2024, 6 U 85/23 und OLG Köln, Urteil vom 26.1.2024, 6 U 89/23), dass Birkenstock-Sandalen keine Werke der angewandten Kunst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG sind. Die Schuhe sind danach nicht urheberrechtlich geschützt. Damit entschied das OLG Köln anders als das zuvor zuständige Landgericht (LG Köln, Urteil vom 23.2.2023, 14 O 39/22, LG Köln, Urteil vom 11.5.2023, 14 O 41/22 und LG Köln, Urteil vom 11.5.2023, 14 O 121/22). Dieses bejahte den urheberrechtlichen Schutz der Sandalen.

Da das OLG die Revision zugelassen hat, entscheidet der Bundesgerichtshof endgültig über die drei Verfahren. Die Verhandlung beginnt am 9. Januar 2025 (Az.: I ZR 16/24, I ZR 17/24, I ZR 18/24).

Über Birkenstock

Birkenstock ist ein deutscher Schuhhersteller mit Sitz in Linz am Rhein. Das Unternehmen ist vor allem für seine Sandalen bekannt, insbesondere für die Modelle „Arizona“, „Boston“ und „Gizeh“. Die Gesundheitssandalen wurden mit der Zeit weltweit bekannt und sind heute Mode-Klassiker.

Sachverhalt

Die Klägerin vertreibt die Sandalenmodelle Arizona und Gizeh der Marke Birkenstock. Sie geht gerichtlich gegen den Vertrieb optisch sehr ähnlicher Sandalen durch die Beklagten vor. Der Vertrieb dieser Sandalen würde das Urheberrecht an den Birkenstock-Sandalen verletzen. Dieses könne die Klägerin als Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte wahrnehmen. Alleiniger Urheber der Sandalen sei Karl Birkenstock, der das Modell Arizona 1973 und Gizeh 1983 geschaffen habe.

Nach Ansicht der Beklagten sind die Schuhe nicht ausreichend künstlerisch gestaltet, und daher keine geschützten Werke. Die Gestaltung folge viel mehr dem Gebrauchszweck von Sandalen und nicht schöpferischen Entscheidungen Karl Birkenstocks.

Verfahrensverlauf

Entscheidung des Landgerichts

Das in erster Instanz zuständige LG Köln entschied noch, dass die Birkenstock-Modelle Arizona und Gizeh von Karl Birkenstock geschaffen wurden. Auf Grund ihrer ausreichend originellen Gestaltung seien sie urheberrechtlich geschützt. Der beim Design von Sandalen verbleibende kreative Gestaltungsspielraum sei von Birkenstock durch die Kombination bestimmter Materialien und Gestaltungselemente ausgenutzt worden.

Da die Sandalen nach dem Landgericht Werke der angewandten Kunst darstellen, waren die Ansprüche der Klägerin auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz begründet. Die Beklagte wendete sich im Wege der Berufung an das Oberlandesgericht.

Entscheidung des Oberlandesgerichts

Das OLG Köln entschied, dass die Berufung der Beklagten begründet sei und der Klägerin keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz zustünden. Die streitgegenständlichen Sandalenmodelle seien keine Werke der angewandten Kunst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG.

Das OLG stellte zunächst klar, dass Gebrauchsgegenstände wie Sandalen Werke der angewandten Kunst darstellen können. Dazu müssen sie eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers sein. Im Mittelpunkt der Entscheidung stand das Verhältnis von kreativen beziehungsweise künstlerischen Entscheidungen und den technisch zwingenden Vorgaben bei der Gestaltung von Gebrauchsgegenständen. Nur wenn der neben den technischen Vorgaben bestehende eingeschränkte Gestaltungsspielraum durch künstlerische Entscheidungen ausgefüllt wird, kann eine geistige Schöpfung im Sinne des Urheberrechts vorliegen. Das bedeutet, dass Schuhe das Ergebnis einer künstlerischen Leistung sein müssen, um Werke der angewandten Kunst zu sein.

In Bezug auf die Birkenstock-Modelle urteilte das OLG, dass diese sich nicht von bereits bekannten Gesundheitssandalen abheben würden und nicht ausreichend künstlerisch gestaltet seien. Das Landgericht nahm eine künstlerische Leistung bereits bei einer neuartigen Gestaltung, durch die Auswahl zwischen verschiedenen technischen Möglichkeiten, an. Das OLG verlangte zudem eine künstlerische Gestaltung, die es bei den Birkenstocks nicht anerkannt hat. Der Vortrag der Klägerin, die im Verfahren darlegen muss, dass urheberrechtlicher Schutz gerechtfertigt ist, sei nicht dazu geeignet, eine künstlerische Leistung anzunehmen. Zwar sei es nicht nötig, dass ein Gebrauchsgegenstand weit überdurchschnittlich gestaltet ist. Die für den Werkschutz nötige Schöpfungshöhe dürfe aber auch nicht zu gering sein.

Die Gestaltung der Birkenstock-Modelle Arizona und Gizeh sei auf Grund des Gebrauchszwecks eingeschränkt. Wie bei Sandalen typisch weisen die Modelle eine Sohle und Riemen auf. Da Birkenstock Gesundheitssandalen herstellt, sei der Gestaltungsspielraum noch weiter eingeschränkt. Die Gestaltung der Sohle erfolgte am Beispiel der Trittspur eines Fußes. Dadurch sollte ein für den Fuß gesunder Schuh produziert werden. Dies sei nach dem OLG zwar aufwändig gewesen, aber keine künstlerische Leistung. Die Klägerin könne nicht darlegen, dass die Gestaltung der Sohle nicht zweckdienlich, sondern künstlerisch und damit Ausdruck der Persönlichkeit Karl Birkenstocks ist. Auch die Gestaltung der Sandalenriemen sei nicht besonders oder neuartig gewesen. Insgesamt stellten die Modelle Arizona und Gizeh Weiterentwicklungen der Birkenstock-Gesundheitssandale Madrid dar. Die sei wiederum wie eine gängige Gesundheitssandale der damaligen Zeit gestaltet.

Demzufolge könnten die Sandalen daher nicht als Werke der angewandten Kunst angesehen werden.

Verhältnis zum Designrecht

Relevant ist die Frage des urheberrechtlichen Schutzes von Gebrauchsgegenständen wie den Birkenstocks für die Abgrenzung des Urheberrechts vom Designrecht. Designrechtlich besteht maximal 25 Jahre Schutz. Der urheberrechtliche Schutz endet erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers, dauert also deutlich länger an. Der designrechtliche Schutz setzt eine eigentümliche Leistung voraus, aber keine künstlerische. Dass ein Gegenstand gleichzeitig design- und urheberrechtlich geschützt ist, sei nach dem OLG nur ausnahmsweise möglich. Das Urheberrecht setze höhere Schutzanforderungen voraus, da das Designrecht sonst keine eigenständige Bedeutung haben würde.

Ausblick

Das OLG ließ die Revision zum Bundesgerichtshof zu, der eine abschließende Entscheidung treffen muss. Dabei wird es insbesondere auf die Frage ankommen, wann eine künstlerische Leistung vorliegt. Dieses bei Gebrauchsgegenständen immer wieder relevante Kriterium, ist auch für die Abgrenzung von Design- und Urheberrecht entscheidend.

Bestätigt der BGH die Urteile des OLG Köln, sind Birkenstock-Sandalen nicht urheberrechtlich geschützt. Entscheidet er jedoch wie das Landgericht, würde der Schutz von Gebrauchsgegenständen deutlich gestärkt werden. Bei Urheberrechtsverletzungen, zum Beispiel durch Herstellung und Vertrieb ähnlicher Sandalen, drohen Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz. Die Qualifikation der Sandalen als urheberrechtliches Werk würde zu einer deutlich verlängerten Schutzdauer führen.

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