Urheberrechtsstreit um Texte von Udo Lindenberg: Warum ein Saxofonist vor Gericht scheiterte

Urheberrecht Songtexte

Das Landgericht Hamburg hat im Jahr 2010 in einem viel beachteten Urteil entschieden (Urteil des LG Hamburg vom 05.02.2010, Az.: 308 O 221/09), dass ein Saxofonist, der Ansprüche auf eine Miturheberschaft an mehreren Liedtexten von Udo Lindenberg erhob, diese nicht durchsetzen kann. Dabei spielte nicht nur ein früheres Versäumnisurteil, sondern insbesondere das Buch des Klägers „Sax oder nie! – Die Bekenntnisse des Johnny Controlletti“ eine Schlüsselrolle.

Besonders bemerkenswert sind die detaillierten Überlegungen des Gerichts zur Schutzfähigkeit der strittigen Texte. Viele der vom Kläger geltend gemachten Textbeiträge seien laut Urteil nicht urheberrechtlich geschützt – ein zentrales Argument für die Klageabweisung.


1. Die Ausgangslage: Anspruch auf Miturheberschaft

Der Kläger, ein renommierter Saxofonist, behauptete, dass er wesentliche Beiträge zu 17 Liedtexten von Udo Lindenberg in den 1970er Jahren geleistet habe. Er machte geltend, durch seine „Röntgen-Sprache“ – eine kreative Kombination aus Umgangssprache und dadaistischen Wortspielen – Formulierungen geschaffen zu haben, die dann in Lindenbergs Songs eingeflossen seien.

Zu den betroffenen Liedern gehörten unter anderem:

  • Alles klar auf der Andrea Doria
  • Boogie Woogie Mädchen
  • Johnny Controlletti
  • Rudi Ratlos
  • Reggae Meggi
  • Elli Pirelli

Der Kläger forderte, dass Lindenberg es unterlassen solle, sich als Alleinurheber dieser Werke zu bezeichnen, und verlangte Schadenersatz sowie eine rückwirkende Beteiligung an den Tantiemen.


2. Das Buch des Klägers als problematische Beweisquelle

Ein zentrales Argument gegen den Kläger ergab sich aus seinem eigenen Buch „Sax oder nie!“. Dort hatte er detailliert beschrieben, wie er in den 1980er Jahren ein Versäumnisurteil gegen Lindenberg erwirkt hatte.

Das Gericht sah darin den Beweis, dass dieses Urteil nicht in einem ordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommen war. Der Saxofonist wusste zum Zeitpunkt der Klageeinreichung, dass Lindenberg in einer Klinik in den USA weilte, und nutzte diesen Umstand gezielt aus, um ein Versäumnisurteil zu erlangen.

Das Gericht stellte daher fest, dass dieses frühere Urteil auf arglistige Weise erschlichen worden war. Obwohl es formal rechtskräftig blieb, konnte der Kläger daraus keine Ansprüche ableiten. Die Berufung auf das frühere Urteil wurde als rechtsmissbräuchlich eingestuft.


3. Vergleich von 1981: Ein abgeschlossener Streit?

Ein weiterer wesentlicher Punkt in der Argumentation des Gerichts war ein außergerichtlicher Vergleich zwischen den Parteien aus dem Jahr 1981.

Laut Lindenbergs Rechtsanwälten hatten sich die Parteien damals auf eine Zahlung von 80.000 DM geeinigt. Im Gegenzug verzichtete der Kläger darauf, seine Miturheberschaft weiter zu verfolgen. Ein entsprechendes Schreiben an die GEMA bestätigte dies, indem es festhielt, dass die Texte wieder vollständig Lindenberg zugerechnet werden sollten.

Obwohl keine unterschriebene Fassung der Vereinbarung vorlag, bewertete das Gericht die Vergleichsregelungen als vollzogen und damit wirksam. Das bedeutete, dass alle gegenseitigen Ansprüche bereits vor Jahrzehnten endgültig geregelt worden waren – und damit heute keine Grundlage mehr für eine erneute Klage bestand.


4. Die entscheidende Frage: Sind die Texte urheberrechtlich geschützt?

Selbst wenn man den Vergleich außer Acht ließe, hätte die Klage keinen Erfolg gehabt. Das Gericht untersuchte nämlich genau, ob die angeblich vom Kläger stammenden Textstellen überhaupt schutzfähig sind.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG sind nur persönliche geistige Schöpfungen als Sprachwerke geschützt. Es kommt also darauf an, ob die Texte eine ausreichende Schöpfungshöhe erreichen, d. h. eine individuelle Prägung aufweisen, die sie von bloßen Alltagsformulierungen unterscheidet.

Das Gericht stellte dazu folgende zentrale Überlegungen an:

a) Namen und Begriffe sind nicht urheberrechtlich geschützt

Der Kläger machte geltend, dass er charakteristische Namen wie „Johnny Controlletti“, „Rudi Ratlos“, „Elli Pirelli“, „Bodo Ballermann“ oder „Reggae Meggi“ erfunden habe.

Das Gericht stellte jedoch klar, dass einzelne Begriffe oder Namen keinen urheberrechtlichen Schutz genießen. Sie mögen zwar kreativ sein, erreichen aber nicht die erforderliche Schöpfungshöhe, um als Sprachwerk im Sinne des Urheberrechts zu gelten.

b) Einzelne Sätze und Formulierungen genügen nicht

Auch viele der vom Kläger beanspruchten Textpassagen wurden vom Gericht als nicht schutzfähig eingestuft. Beispielsweise:

  • „Er zieht sich die schnellen Stiefel an“ (Leider nur ein Vakuum)
  • „Dieser Rhythmus, dass jeder mit muss“ (Rudi Ratlos)
  • „Lass die harten Drogen sein, trink dir doch mal lieber einen!“ (Riskante Spiele)
  • „Und nun begann der Dirigent mit seiner Chaos-Symphonie in Atom-Dur“ (Der Dirigent)

Das Gericht entschied, dass diese Formulierungen für sich genommen keine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des Urheberrechts darstellten. Sie seien zwar originell, aber in ihrer Kürze und Allgemeinheit nicht über die alltägliche Sprachverwendung hinausgehend.

c) Fehlender Nachweis eines gemeinsamen Schaffensprozesses

Schließlich stellte das Gericht fest, dass der Kläger keine ausreichenden Beweise dafür vorgelegt hatte, dass die strittigen Textstellen tatsächlich im Rahmen eines gemeinsamen Schaffensprozesses mit Lindenberg entstanden seien.

Viele seiner Behauptungen beruhten auf seiner eigenen Erinnerung, ohne durch Zeugenaussagen oder andere Beweise gestützt zu sein. Damit konnte er die gesetzliche Vermutung, dass Lindenberg als alleiniger Urheber anzusehen sei (weil er bei der GEMA und auf allen Veröffentlichungen so geführt wurde), nicht widerlegen.


5. Das Urteil: Klage abgewiesen

Das Landgericht Hamburg wies die Klage in allen Punkten ab.

Die zentralen Gründe:

  1. Das frühere Versäumnisurteil von 1981 war arglistig erwirkt worden und konnte keine Grundlage für Ansprüche sein.
  2. Der Vergleich aus dem Jahr 1981 hatte alle Ansprüche endgültig erledigt.
  3. Viele der streitigen Textstellen waren nicht urheberrechtlich geschützt.
  4. Der Kläger konnte nicht beweisen, dass er an der Erstellung der Texte beteiligt war.

Das Urteil zeigt eindrucksvoll, dass das Urheberrecht keine bloßen Wortspielereien schützt und dass eine Klage auch Jahrzehnte später noch scheitern kann, wenn frühere Vereinbarungen und Verfahrensweisen dagegen sprechen.


Fazit: Ein Lehrstück über Urheberrecht und Prozessstrategie

Dieser Fall ist ein Paradebeispiel für die komplexen Fragen des Urheberrechts und der Prozessführung. Die Geschichte zeigt, dass:

✅ Namen und einzelne Wortspiele meist nicht urheberrechtlich schutzfähig sind.
✅ Ein einmal geschlossener Vergleich einen Rechtsstreit für immer beenden kann.
✅ Ein Versäumnisurteil, das unter fragwürdigen Umständen erlangt wurde, sich gegen den Kläger wenden kann.

Für Musiker und Texter bietet dieser Fall eine wertvolle Lektion: Wer an gemeinsamen Werken mitwirkt, sollte frühzeitig klare Absprachen und vertragliche Regelungen treffen – und sich gut überlegen, was er in einem Buch über seine Rechtsstrategien preisgibt.

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