Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied am 23. Oktober 2024, dass Aufnahmen von urheberrechtlich geschützten Werken, die mit einer Drohne aus der Luft erstellt werden, nicht unter die Panoramafreiheit aus § 59 UrhG fallen und deshalb urheberrechtlich unzulässig sind (BGH, Urteil vom 23.10.2024, Az.: I ZR 67/23). Der BGH bestätigte damit das vorinstanzliche Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (OLG Hamm, Urteil vom 27.04.2023, Az.: 4 U 247/21).
Sachverhalt
Gegenstand des Gerichtsverfahrens waren Drohnenaufnahmen von Kunstinstallationen, die ab den Neunzigerjahren auf verschiedenen Bergehalden im Ruhrgebiet errichtet wurden und dort besichtigt werden können. Die Bergehalden im Ruhrgebiet entstanden durch Aufschüttung von Gesteinsresten, die beim Kohleabbau anfielen. Bei den insgesamt sechs Installationen handelt es sich um die „Sonnenuhr“ bei Castrop-Rauxel und den „Spurwerkturm“ bei Waltrop, geschaffen von Jan Bormann, die Lichtinstallation „Nachtzeichen“ von Klaus Noculak und die „Himmelstreppe“ von Herman Prigann in Gelsenkirchen, sowie der von Wolfgang Christ geschaffene „Tetraeder“ in Bottrop und das „Geleucht“ in Moers von Otto Piene.
Die Verwertungsgesellschaft der Künstler, die Rechte und Ansprüche von Urhebern und Leistungsschutzberechtigten im visuellen Bereich wahrnimmt, klagte gegen einen Buchverlag, der unter anderem Reiseführer über die Halden des Ruhrgebiets veröffentlicht. Darin enthalten sind auch Fotos der sechs Kunstinstallationen, die mit einer Drohne gefertigt wurden. Die Klägerin forderte Unterlassung und Schadensersatz von der Beklagten. Das OLG Hamm gab ihr recht. Die Beklagte wendete sich deshalb im Wege der Revision an den BGH.
Die Panoramafreiheit
Entscheidende Bedeutung für das Urteil des BGH hat die in § 59 UrhG geregelte Panoramafreiheit, die das Urheberrecht beschränkt und dem Allgemeininteresse an der Freiheit des Straßenbildes dient. Nach § 59 Abs. 1 UrhG dürfen Werke, die sich bleibend an öffentlichen Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film vervielfältigt (§ 16 UrhG), verbreitet (§ 17 UrhG) und öffentlich wiedergegeben (§ 15 Abs. 2 UrhG) werden. Die Panoramafreiheit hat hohe praktische Bedeutung, denn sie erlaubt unter anderem das Fotografieren und Filmen von urheberrechtlich geschützten Bauwerken und die Veröffentlichung solcher Aufnahmen. § 59 UrhG rechtfertigt sogar die gewerbliche Nutzung der erstellten Vervielfältigungen.
Eingeschränkt wird die Panoramafreiheit durch die Kriterien „öffentlich“ und „bleibend“. Denn nur Werke, die diese Kriterien erfüllen, sind Gegenstand der gesetzlichen Erlaubnis.
Was bedeutet „öffentlich“ bei § 59 UrhG?
Das Werk muss sich einerseits „an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen“ befinden. Nach § 59 Abs. 1 S. 2 UrhG ist die Panoramafreiheit zudem nur auf die äußere Ansicht eines Bauwerks beschränkt. Vervielfältigungen des Werks dürfen daher nur erstellt werden, wenn das Werk von öffentlich zugänglichen Orten aus wahrnehmbar ist. Aus anderen Perspektiven, also von allgemein unzugänglichen Orten aus, sind Vervielfältigungen nach der Rechtsprechung des BGH nicht erlaubt (BGH, Urteil vom 5.6.2003, Az.: I ZR 192/00 – Hundertwasser-Haus). In einem Verfahren zum Wiener Hundertwasser-Haus entschied das Gericht, dass Fotografien der Rückseite oder des Innenhofs eines Gebäudes nicht zulässig seien, wenn diese Bereiche nicht öffentlich zugänglich sind. Das gelte auch für Luftaufnahmen, da diese ein Gebäude so zeigen, wie es von einem öffentlichen Platz aus nicht wahrnehmbar ist.
Was bedeutet „bleibend“ bei § 59 UrhG?
Das Werk muss sich außerdem „bleibend“ an einem öffentlichen Ort befinden. Das ist der Fall, wenn ein Werk, wie beispielsweise ein Gebäude, vom Urheber dauerhaft an einem öffentlichen Ort angebracht wurde. Kunstwerke oder Kunstinstallationen, die dagegen nur vorübergehend öffentlich ausgestellt werden, befinden sich dort nicht bleibend im Sinne des § 59 Abs. 1 UrhG. Es kommt also auf den Zweck an – dauerhaft oder vorübergehend – zu dem der Urheber das Werk am öffentlichen Ort zugänglich macht (BGH, Urteil vom 24.1.2002, Az.: I ZR 102/99 – Verhüllter Reichstag). Bei dem 1995 verhüllten Reichstagsgebäude handelte es sich nach dem BGH nicht um ein bleibendes Werk, da die Installation nur zwei Wochen lang und somit nur vorübergehend zu sehen war.
Das Werk muss sich aber nicht dauerhaft am selben öffentlichen Ort befinden. Auch wenn das Werk an verschiedenen öffentlichen Orten zu sehen ist, weil es seinen Ort wechselt, befindet es sich insgesamt bleibend an einem öffentlichen Ort. Das entschied der BGH hinsichtlich des urheberrechtlich geschützten „AIDA-Kussmunds“, der am Bug der AIDA-Kreuzfahrtschiffe aufgemalt ist (BGH, Urteil vom 27.4.2017, Az.: I ZR 247/15 – AIDA Kussmund). „Bleibend“ meine laut BGH nicht „ortsfest“, sondern „dauerhaft“. Die Schiffe seien zwar nicht immer am selben Ort öffentlich zugänglich, aber auf längere Dauer. Die Gewässer auf denen sich das Kreuzfahrtschiff bewegt seien ebenfalls öffentliche Orte im Sinne des § 59 Abs. 1 UrhG.
Das Urteil des BGH zu Drohnenaufnahmen
Das neue Urteil des BGH zu Drohnenaufnahmen von Werken der bildenden Kunst knüpft an die bisherige Rechtsprechung zur Panoramafreiheit an.
Bereits das OLG Hamm entschied, dass es sich bei den streitgegenständlichen Kunstinstallationen um Werke der bildenden Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG handelt. Die Nutzung der Drohnenaufnahmen in Büchern der Beklagten stelle einen Eingriff in das Vervielfältigungsrecht nach § 16 UrhG und das Verbreitungsrecht gemäß § 17 UrhG dar. Das Gericht prüfte dann, ob der Eingriff auf Grund der Panoramafreiheit erlaubt ist. Das OLG verneinte dies jedoch.
Die Kunstinstallationen befinden sich zwar an öffentlichen Plätzen. Das führe aber nicht dazu, dass Aufnahmen der Werke aus jeder Perspektive zulässig seien. Nur Perspektiven, die von öffentlich zugänglichen Orten aus bereits bestehen, seien von der Schrankenregelung umfasst. Da die Aufnahmen jedoch mittels einer Drohne aus der Luft erstellt wurden, sind sie nicht aus einer Perspektive von einem öffentlichen Ort aus gefertigt worden. Der Luftraum falle nicht unter die von § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG umfassten Orte, da er nicht zur Erdoberfläche gehört oder mit dieser verbunden ist. Menschen könnten den Luftraum nur mit Hilfsmitteln nutzen. Ohne Hilfsmittel seien Werke nicht aus der Luft wahrnehmbar. Dadurch unterscheide sich der Luftraum auch von Wasserflächen, die nach der AIDA-Kussmund-Entscheidung zu den öffentlichen Orten im Sinne der Panoramafreiheit gehören.
Der BGH bestätigte in seinem Urteil, dass Drohnenaufnahmen von Werken nicht nach § 59 Abs. 1 S. 1 UrhG erlaubt sind. Andernfalls würde das berechtigte Interesse der Urheber an der wirtschaftlichen Verwertung ihrer Werke nicht ausreichend geschützt. Mit Drohnen erstellte Aufnahmen fallen nicht mehr unter den Zweck der Panoramafreiheit, da eine solche Form der Nutzung allgemein zugänglicher Werke nicht freistellungsbedürftig ist. Die Drohnenaufnahmen der Kunstinstallationen verletzen deshalb das Urheberrecht und begründen Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche der Klägerin.
Fazit
Das Urteil des BGH zu Drohnenaufnahmen von öffentlich wahrnehmbaren Werken schränkt die Panoramafreiheit ein. Dauerhaft bestehende, öffentliche Werke dürfen nur aus Perspektiven fotografiert werden, aus denen das Werk ohnehin schon für die Allgemeinheit wahrnehmbar ist. Fotos aus anderen Perspektiven sind ohne Genehmigung nicht erlaubt. Das gilt aber nicht nur für Drohnen, sondern für alle Aufnahmen aus Perspektiven, die nur mit Hilfsmitteln (z.B. einer Leiter oder einem Flugzeug) erreicht werden können. Die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotos setzt also eine Genehmigung der Urheberrechtsberechtigten voraus.