Doppelte Ware, falsche Abmahnung: Der Erschöpfungsgrundsatz im Online-Handel

Eine moderne Lagerhalle, in der Gabelstapler Paletten mit Kissen bewegen, wobei das Wort ERSCHÖPFUNGSGRUNDSATZ als stilisiertes Licht-Schatten-Spiel auf dem Boden zu sehen ist.

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Im hart umkämpften E-Commerce gleichen sich Produktpaletten oft wie ein Ei dem anderen. Besonders im Textil- und Deko-Bereich kommt es vor, dass unterschiedliche Händler identische oder fast identische Waren anbieten. Nicht selten reagieren Konkurrenten hierauf mit kostspieligen Abmahnungen, gestützt auf das Urheberrecht oder den Vorwurf der wettbewerbswidrigen Nachahmung. Doch nicht jede Ähnlichkeit ist ein Rechtsverstoß. Ein aktueller Fall vor dem Landgericht Mannheim (Az. 2 O 30/23), bestätigt durch das Oberlandesgericht Karlsruhe (Az. 6 U 10/24), verdeutlicht die Rechte von Händlern, die ihre Ware legal innerhalb der EU beziehen.

Der Fall der Pop-Art-Kissen: Ein Lehrstück für Händler

Im Zentrum des Rechtsstreits standen Kissenhüllen mit bekannten Pop-Art-Motiven (u.a. Mona Lisa und Albert Einstein). Ein Großhändler mahnte einen Online-Händler ab, weil dieser fast identische Kissen vertrieb. Der Vorwurf: Die Ware sei eine unzulässige Nachahmung und verletze Exklusivrechte.

Die rechtliche Prüfung ergab jedoch ein anderes Bild. Beide Parteien bezogen den zugrundeliegenden Stoff – wenn auch über Umwege – vom selben spanischen Hersteller. Während der Abmahner direkt dort kaufte, bezog der abgemahnte Händler die fertigen Kissen über einen italienischen Zwischenhändler. Das Gericht stellte fest: Werden Produkte legal in der EU in den Verkehr gebracht, greift der sogenannte Erschöpfungsgrundsatz.

Keine Nachahmung ohne Kenntnis des Originals

Ein zentraler Punkt im Wettbewerbsrecht (§ 4 Nr. 3 UWG) ist der Nachahmungsschutz. Eine verbotene Nachahmung setzt jedoch voraus, dass das Original dem Nachahmer überhaupt bekannt war und als Vorbild diente. Handelt es sich hingegen um eine sogenannte selbstständige Zweitentwicklung oder – wie hier – um den Parallelbezug von Waren, die auf derselben Quelle basieren, liegt keine Nachahmung vor.

Das Landgericht Mannheim führte präzise aus: Wenn die prägenden Merkmale eines Produkts (hier die Webart und das Motiv) bereits im Rohmaterial des Herstellers angelegt sind, kopiert der Händler nicht das Konkurrenzprodukt, sondern nutzt lediglich das am Markt verfügbare Material. Eine Herkunftstäuschung scheidet in solchen Konstellationen meist aus.

Künstlerische Darstellung von bunten Stoffbahnen, die frei über eine stilisierte Europakarte wehen, symbolisch für den freien Warenverkehr.

Der Erschöpfungsgrundsatz als Schutzschild

Noch gewichtiger wog im vorliegenden Fall das Urheberrecht. Der Grundsatz der Erschöpfung (§ 17 Abs. 2 UrhG) besagt vereinfacht: Hat ein Urheber (oder der Lizenzinhaber) ein Werkstück einmal mit Zustimmung im Gebiet der Europäischen Union verkauft, verliert er die Kontrolle über den weiteren Vertrieb dieses konkreten Stücks.

Im konkreten Fall hatte der spanische Stoffhersteller das Material an einen italienischen Abnehmer verkauft. Damit war das Verbreitungsrecht für diese Charge „erschöpft“. Der Weiterverkauf nach Deutschland an den beklagten Online-Shop war somit rechtlich einwandfrei. Angebliche „Exklusivverträge“, die den Vertrieb in bestimmte Länder verbieten sollen, entfalten gegenüber Dritten oft keine Wirkung, wenn die Kette des legalen Inverkehrbringens nicht unterbrochen wurde.

Was dies für die Praxis bedeutet

Für Online-Händler und Shop-Betreiber ist dieses Urteil ein wichtiges Signal. Es zeigt, dass der Bezug von Marken- oder Designware über europäische Zwischenhändler oft rechtssicher möglich ist, selbst wenn ein Konkurrent Exklusivrechte behauptet. Eine sorgfältige Prüfung der Lieferkette und der Herkunft der Waren ist jedoch unerlässlich.

Sollten Händler mit einer Abmahnung konfrontiert werden, lohnt sich oft der genaue Blick auf die Anspruchsgrundlage. Wurde die Ware tatsächlich kopiert oder handelt es sich um einen legalen Parallelimport? Die Kanzlei Kramarz ist auf solche Prüfungen im Urheber- und Medienrecht spezialisiert. Nicht jede Forderung eines Konkurrenten ist berechtigt, und die Kosten für die Abwehr einer unberechtigten Abmahnung können unter Umständen vom Gegner zurückgefordert werden.

Haben Sie eine Abmahnung erhalten oder sind unsicher bezüglich Ihrer Produktpalette? Nutzen Sie die Möglichkeit einer kostenlosen telefonischen Erstberatung unter 06151-2768227 oder kontaktieren Sie uns über kanzlei-kramarz.de/kontakt.

Was bedeutet der Erschöpfungsgrundsatz im Urheberrecht?

Der Erschöpfungsgrundsatz (§ 17 Abs. 2 UrhG) besagt, dass das Verbreitungsrecht eines Urhebers an einem konkreten Werkstück erlischt, sobald dieses mit seiner Zustimmung im Gebiet der EU oder des EWR durch Verkauf in den Verkehr gebracht wurde. Das bedeutet, das gekaufte Exemplar darf danach frei weiterverkauft werden. Für eine detaillierte Prüfung Ihres Falles steht Ihnen die Kanzlei Kramarz zur Verfügung.

Darf ich Produkte verkaufen, die genauso aussehen wie die der Konkurrenz?

Grundsätzlich ist das Nachahmen von Produkten erlaubt, sofern keine Sonderrechte (wie Patente oder eingetragene Designs) verletzt werden. Wettbewerbswidrig wird es nach § 4 Nr. 3 UWG erst, wenn eine vermeidbare Herkunftstäuschung entsteht oder die Wertschätzung des Originals unangemessen ausgenutzt wird. Beziehen beide Händler die Ware jedoch aus derselben legalen Quelle, liegt meist keine unzulässige Nachahmung vor. Bei Unsicherheiten nutzen Sie unsere kostenlose telefonische Erstberatung: 06151-2768227.

Kann ein Hersteller den Weiterverkauf seiner Ware in Deutschland verbieten?

Wenn die Ware bereits mit Zustimmung des Herstellers irgendwo in der EU verkauft wurde, kann er den weiteren Vertrieb innerhalb der EU (z.B. den Import von Italien nach Deutschland) in der Regel nicht mehr untersagen. Vertriebsbeschränkungen oder Exklusivverträge binden oft nur die direkten Vertragspartner, nicht aber Dritte, die die Ware legal erworben haben.

Was tun bei einer unberechtigten Abmahnung?

Reagieren Sie besonnen und unterschreiben Sie keine vorformulierte Unterlassungserklärung ungeprüft. Wenn die Abmahnung unberechtigt ist (z.B. wegen des Erschöpfungsgrundsatzes), können Sie die Abmahnung zurückweisen und oft sogar die Kosten für Ihren Rechtsanwalt vom Gegner einfordern. Rechtsanwalt Christian Kramarz prüft Ihren Fall gerne: anfrage@kanzlei-kramarz.de.

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Wichtige Informationen zu Ihren Rechten: Sie haben eine Abmahnung im Wettbewerbsrecht erhalten? Oder betrifft Ihre Frage eine Abmahnung im Urheberrecht oder eine Abmahnung im Markenrecht? Informationen speziell zum Thema Abmahnung von Frommer Legal finden Sie ebenfalls bei uns. Die Kanzlei IPPC Law versendet ebenfalls in großer Zahl Abmahnungen.

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