Sieg für die Anonymität: BGH kippt die Klarnamenpflicht bei Facebook

Klarnamenpflicht in sozialen Netzwerken

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Jahrelang war es ein Streitthema zwischen Nutzern und sozialen Netzwerken: Muss ich auf Facebook meinen echten Namen verwenden? Eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 27. Januar 2022 (Az. III ZR 3/21) bringt nun endlich Klarheit und stärkt die Rechte der Nutzer erheblich. Das Urteil besagt: Soziale Netzwerke wie Facebook dürfen ihre Nutzer nicht dazu zwingen, ihr Profil unter ihrem bürgerlichen Namen zu führen.

Die Entscheidung des BGH ging auf eine Klage zurück, die ein Nutzer gegen Facebook angestrengt hatte. Der Kläger nutzte auf der Plattform zunächst ein Pseudonym für sein Profil. Im März 2018 forderte Facebook ihn auf, seinen echten Namen zu verwenden, und sperrte sein Konto vorübergehend, bis er der Aufforderung nachkam. Erst nach der Änderung seines Profilnamens in seinen bürgerlichen Namen wurde das Konto wieder freigeschaltet. Der Nutzer klagte daraufhin, um zu erwirken, dass Facebook ihm die Nutzung eines Pseudonyms gestatten muss.

Das Urteil: Eine differenzierte Entscheidung für den Datenschutz

Der BGH hat in seinem Urteil eine sorgfältige Abwägung der gegenseitigen Interessen vorgenommen und ist zu einem differenzierten Ergebnis gekommen:

  • Interne Registrierung vs. öffentliche Nutzung: Das Gericht unterscheidet klar zwischen dem Innenverhältnis (Nutzer zu Plattform) und dem Außenverhältnis (Nutzer zu anderen Nutzern und der Öffentlichkeit).
     
  • Klarnamen bei der Registrierung sind zulässig: Ein soziales Netzwerk hat ein legitimes Interesse daran zu wissen, wer seine Vertragspartner sind. Die Erhebung des Klarnamens bei der Registrierung ist daher verhältnismäßig und zulässig. Dies dient unter anderem der Verfolgung von Rechtsverstößen oder der Durchsetzung von Ansprüchen Dritter bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen.
     
  • Keine Pflicht zum öffentlichen Klarnamen: Eine Klausel in den Nutzungsbedingungen, die vorschreibt, dass der Nutzer auch öffentlich unter seinem echten Namen auftreten muss, benachteiligt den Nutzer jedoch unangemessen und ist daher unwirksam.
     

Die Begründung des Gerichts

Die Richter stützten ihre Entscheidung auf mehrere wichtige Argumente:

2. Verstoß gegen das Telemediengesetz (TMG): Die Klarnamenpflicht in den Nutzungsbedingungen von Facebook widersprach dem wesentlichen Grundgedanken des damaligen § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG. Dieses Gesetz sah vor, dass Diensteanbieter die anonyme oder pseudonyme Nutzung von Telemedien ermöglichen müssen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist.

2. Grundrechte der Nutzer überwiegen: Das Gericht wog die unternehmerische Freiheit von Facebook (Art. 16 GRCh) gegen die Grundrechte der Nutzer ab. Dabei kamen das Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 7 GRCh) und der Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 GRCh) zum Tragen. Die Richter betonten, dass die erzwungene öffentliche Nutzung des Klarnamens die informationelle Selbstbestimmung der Nutzer stark beeinträchtigt, da Dritte so leicht detaillierte Persönlichkeitsprofile erstellen können.

3. Schutz der Meinungsfreiheit: Die Möglichkeit, ein Pseudonym zu verwenden, schützt die Meinungsfreiheit (Art. 11 GRCh). Sie senkt die Hemmschwelle für Nutzer, sich an Diskussionen zu beteiligen, und schützt sie vor negativen Konsequenzen oder „Shitstorms“, was andernfalls zur Selbstzensur führen könnte.

4. Der „Zivilisierungseffekt“ ist nicht belegt: Das von Facebook vorgebrachte Argument, dass eine Klarnamenpflicht zu einem besseren Diskussionsklima führe und Hassrede eindämme, ließ der BGH nicht gelten. Die Reichweite dieses „Zivilisierungseffekts“ ist empirisch nicht ausreichend belegt. Eine abschreckende Wirkung wird bereits dadurch erzielt, dass der Plattform der wahre Name des Nutzers bekannt ist.

Was bedeutet das für Sie als Nutzer?

Das Urteil des BGH ist ein klares Signal für den Datenschutz und die Nutzerrechte im digitalen Raum. Für Sie bedeutet das konkret:

  • Sie haben das Recht auf ein Pseudonym: Sie können von sozialen Netzwerken verlangen, dass Sie für Ihr öffentliches Profil ein Pseudonym verwenden dürfen.
     
  • Ungültige Geschäftsbedingungen: Klauseln, die Sie zur Nutzung Ihres echten Namens verpflichten, sind nach dieser Rechtsprechung unwirksam.
     
  • Registrierung mit echtem Namen bleibt möglich: Seien Sie nicht überrascht, wenn eine Plattform bei der Neuanmeldung weiterhin Ihre echten Daten abfragt. Dies ist laut BGH zulässig, solange Sie Ihr Profil anschließend pseudonym führen dürfen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Während die Plattform wissen darf, wer Sie sind, kann sie Sie nicht zwingen, Ihre Identität der ganzen Welt preiszugeben. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die Privatsphäre und die freie Meinungsäußerung im Internet zu schützen.

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