Haben Sie sich schon mal die Frage gestellt, wie sich die Rechtsverhältnisse beim Besuch einer Veranstaltung darstellen? Was kaufe ich, wenn ich eine Eintrittskarte kaufe und welche Erwartungen darf ich an die Veranstaltung stellen?
Rechtsstreitigkeiten um Eintrittsgelder sind selten. Warum? Meist geht es nicht um sonderlich hohe Summen entsprechen gering ist die Motivation sich deswegen vor Gericht zu streiten. Ob das so bleibt? Mittlerweile kosten Tickets bis zu 3.000 Dollar und ein Ende der Preisspirale ist nicht abzusehen.
Im April 2023 traten Limp Bizkit in der ausverkauften Jahrhunderthalle in Frankfurt auf. Das Problem: Sänger Fred Durst hatte keine Stimme und verwandelte das Konzert zum Verdruss der angereisten Fans in eine Karaoke Show, bei Zuschauer den Gesang von Fred Durst übernahmen. Rechtsstreitigkeiten sind in diesem Zusammenhang nicht bekannt geworden.
Wer sich mit konkreten Rechtstreitigkeiten in diesem Bereich beschäftigen will, muss also bereit sein auch Urteile zu lesen, die vor mehreren Jahrzehnten gefällt worden sind. Das kleine Einmaleins der Eintrittskarten beginnt mit der Erkenntnis, dass eine Eintrittskarte eine Verkörperung des Rechts ist eine Veranstaltung zu besuchen. Das wird rechtlich als Inhaberpapier bezeichnet und ist in § 807 BGB geregelt. Häufig werden Karten mittlerweile personalisiert. Wir sprechen dann von einem qualifizierten Inhaberpapier. Dann kann der Veranstalter die Leistung an jeden Inhaber des Papiers erbringen, muss es aber nicht, § 808 BGB.
Rechtlich ist der Vertrag über den Besuch eines Konzertes als Werkvertrag mit mietrechtlichem Einschlag hinsichtlich eines konkreten Sitzplatzes einzuordnen, sofern die Eintrittskarte die Nutzung eines konkreten Platzes für die Dauer der Veranstaltung gewährt.
Nabucco
Der Versuch des Besuchs einer Oper lieferte im Jahr 1997 den Auftakt einer rechtlichen Streitigkeit über 92 DM. Im Wesentlichen war der Kläger samt Gattin zu spät zur Oper „Nabucco“ erschienen. Kurz nach 20.00 Uhr erschien der Kläger samt Gemahlin und wurde am Einlass durch die Ordnungskräfte der Beklagten gehindert. Angeboten wurde den Nachzüglern der Einlass in der Pause. Das versetzte den Kläger in Rage und veranlasst ihn zum sofortigen Verlass des Opernhauses.
Die Klage gerichtet auf den Ersatz der 92 DM und Fahrtkostenersatz scheitert vor dem Amtsgericht Aachen, Urteil vom 24.04.1997. Az.: 10 C 529/96. Die Urteilsgründe beeindrucken mit ihrer lebensnahen Argumentation.
Überzeugend fasst das Gericht den Standpunkt des beklagten Opernhauses zusammen:
„Zu Recht verweist die Bekl. insoweit auf eine jahrhundertealte und internationale Gepflogenheit, die dem Vertragsverhältnis zwischen Opernveranstalter und Besucher immanent ist und die auf die Kurzformel gebracht werden kann: Vorhang auf – Türen zu.“
Auch die Belange der anderen Vertragspartner des Opernhauses werden berücksichtigt.
„Diese Vertragspartner des Veranstalters werden nicht, wie beispielsweise im Kino, klaglos hinnehmen, daß Nachzügler geräuschvoll hinter dem Lichtkegel der Taschenlampe eines Platzanweisers herstolpern, um sich dann unter vielen “Entschuldigung” und “Darf ich mal” auf ihren Platz drängeln, wobei sie unter den bereits sitzenden Zuschauern den aus Fußballstadien bekannten “La–Ola–Effekt” auslösen. Der Veranstalter hat vielmehr den reibungslosen Ablauf der Aufführung zu gewährleisten, was nur durch klare, praktikable Weisungen an die Saalordner möglich ist.“
Kläger und Gattin hatten freiwillig das Opernhaus ohne Besuch der Oper verlassen, eine Abnahme schied also aus.
„Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen ist die Qualifizierung des Zuspätkommens als Auslöser der Leistungsstörung. Die Pflicht zum pünktlichen Erscheinen bei Aufführungsbeginn ist keine vertragliche Hauptpflicht, wie der Kl. zu recht ausführt. Kein Inhaber einer Opernkarte muß sich der Aufführung tatsächlich aussetzen, was sich schon an der guten alten Tradition des “Opernschläfchens” erweist; einer sanktionslos möglichen Verweigerung des Kunstgenusses von schätzungsweise im Durchschnitt 10 % des Publikums. Richtigerweise ist das pünktliche Erscheinen des Opernbesuchers, ähnlich wie das Antreten zu einer Operation, der Anprobe für einen Maßanzug oder einer Porträtsitzung auch keine Pflicht, sondern eine nicht klagbare reine Gläubigerobliegenheit, für die das Gesetz in § 642 BGB des Werkvertragsrechts eine besondere Regelung vorsieht.“
Der Kläger unterlag insgesamt.
„Vereitelt der Opernkarteninhaber durch Zuspätkommen (oder aber, um das Beispiel zu Kontrollzwecken weiterzuführen, durch Einschlafen) das Zustandekommen des Werkes, nämlich zwar nicht der Aufführung als solcher, wohl aber der Interaktion zwischen Bühnenakteuren und lauschendem Publikum, darf der Veranstalter als billige Entschädigung für das Bereithalten eines geheizten und beleuchteten Saales sowie eines wohl präparierten Ensembles das vorausentrichtete Eintrittsgeld behalten.“
Erste Reihe
Das ein Sitzplatz in der zweiten Reihe wenig wert ist, wenn die anderen musikbegeisterten Zuschauer bei den ersten Tönen nach vorne stürmen musste im Jahr 1980 der Besucher eines Konzerts in der Stadthalle Hannover feststellen. Der Besucher hatte extra eine Karte für die zweite Reihe erworben, sah aufgrund der anderen Besucher dann aber nichts mehr von dem Konzert. Er klagte und wollte einen Teil des gezahlten Eintrittspreises zurück (AG Hannover, Urteil vom 28.11.1980, Az.: 28 C 525/80).
Das Gericht stellte fest:
„Wenn Zuschauerplätze zu abgestuften Preisen vermietet werden, dann gehört nach der Verkehrsanschauung die bessere Sicht auf die Bühne zu dem Gebrauchswert des höher bezahlten Sitzplatzes; denn hierfür wird nach der allgemeinen Auffassung auch der höhere Preis gezahlt.“
Da der Kläger aber wie alle anderen Zuschauer die Darbietung des Rockkonzerts genießen konnte, erhielt er die Differenz des Preises seiner Eintrittskarte zu dem Preis der günstigsten Eintrittskarte erstattet.