Zu Nikolaus wünsche ich mir das Sicherheitskonzept zum Schlossgrabenfest

Das lange Warten ist vorbei. Nach einer langen Zeit der Ankündigungen ist es endlich soweit. Während Kinder mit glänzenden Augen in ihre Schuhe und Stiefel blicken, öffnen die Väter und Mütter ihren Internetbrowser und blicken hoffnungsvoll auf die Internetseite des Darmstädter Schlossgrabenfests. 

https://www.schlossgrabenfest.de/ 

Endlich beginnt der Vorverkauf zu meinem Lieblingsmusikfest – dem Schlossgrabenfest.

Karten für das Schlossgrabenfest 2023

Das Schlossgrabenfest in Darmstadt wird im nächsten Jahr vom 25.05.2023 bis zum 28.05.2023 stattfinden und sich damit vom Donnerstag vor Pfingsten bis zum Pfingstsonntag erstrecken. Das wird ja wunderbar! Während die Darmstädter Bevölkerung arbeiten geht, Kinder in die Schule gehen, Studenten ihre Übungen besuchen und die verbliebenen Einzelhändler der Stadt versuchen ihre Ware an die armen Seelen zu verkaufen, die sich versehentlich in die Innenstadt verirren, tobt das Darmstädter Schlossgrabenfest.

Tipps für die Anreise zum Schlossgrabenfest

Viel Spaß bei der Fahrt auf dem City-Ring in dieser Zeit! Planen Sie großzügige Umfahrungen des Festgeländes in dieser Zeit ein. Angereiste nehmen zur Kenntnis: Parkplätze gibt es hier nicht! Den ÖPNV stellen wir gerade auf Bus um. Rechnen Sie mit einer langen und entbehrungsreichen Reise vom Hauptbahnhof in die Innenstadt. Es gibt zahlreiche Baustellen. Fahrpläne können sich unvorhergesehen dramatisch ändern. Bei der Abreise müssen Sie bitte für Ihre eigene Sicherheit sorgen. Wenn Sie kein Geld mehr haben, sind Sie für uns uninteressant.

„Geht einmal nach Darmstadt und seht, wie die Herren sich für euer Geld dort lustig machen…“

Tipp für Darmstädter Bürger

Falls Sie als Darmstädter Bürger Ihre Urlaubsplanungen noch nicht gemacht haben, planen Sie vielleicht in dieser Zeit Urlaub ein. Fahren Sie irgendwohin, wo 20.000 m² Innenstadtfläche nicht zu Gunsten eines Veranstalters monopolisiert werden. Sie können also überall hin fahren. Sie dürfen nur nicht hier bleiben.

Positive Seiten des Schlossgrabenfest

Aber wir wollen auch einen Blick auf die positiven Seiten des Festes werfen. Schon im vergangenen Jahr wusste unser Oberbürgermeister beim Stichwort Schlossgrabenfest auf die sonnige Seite des Festes zu blicken. Angesprochen auf die erstmalige Erhebung eines Eintrittspreises wusste der Leiter der Darmstädter Stadtverwaltung sofort worauf es ankommt: „100.000 Menschen haben friedlich und in Sicherheit gefeiert!“.

Deine Chance auf Frieden und Sicherheit

Falls Sie als Darmstädter Bürger also auch einmal in den Genuss eines friedlichen und sicheren Besuchs der Darmstädter Innenstadt kommen wollen, ist jetzt Ihre Chance. Die Veranstalter lassen wissen: Jetzt ist die Zeit zum Erwerb eines Tickets. 9,98 € pro Tag oder 24,98 € für vier Tage Besuch des Festivalgeländes. Sog. Early-Bird-Preise. Das ideale Weihnachtsgeschenk.

Sollten Sie allerdings zu den Haushalten gehören, die kein Geld übrig haben – das ist schwierig. Die Teilhabecard nutzt Ihnen für das Schlossgrabenfest nix. Und das ist eine Schande!

So wird ein Geschenk daraus

Neben der Aussicht auf Genuss des friedlichen und sicheren Aufenthalts auf dem Karolinenplatz sollten Sie beim frühzeitigen Erwerb eines Tickets zu Geschenkzwecken aber weiterdenken.

Es besteht die ernsthafte Gefahr, dass der so Beschenkte tatsächlich die Möglichkeit des Eintritts auf das „Gelände“ nutzt. Dann ist er da. Nichts als Stein und Beton und meilenweit kein Schatten. Getränke darf er nicht mitnehmen. Letztes Jahr kostete ein Liter Wasser 10 €. Der Toilettengang im exklusiven Ambiente des Schlossgrabenfest-Sponsors Welcome Hotel: 6 €. Nicht vergessen: Nebenan locken zahlreiche offenbar kostenfrei zu nutzende Fassaden und Mauern darauf begossen zu werden. Mir wurden Gerüchte zu einer Urinier-Flat zugetragen, die wohl auch 10 € gekostet haben soll. Mit Preiserhöhungen ist in Inflationszeiten zu rechnen.

Das kleine Geschenk mit dem gewissen Extra

Meine Empfehlung, sollten Sie in Betracht ziehen einen ihrer Lieben mit einem 4-Tagesticket beschenken: Rechnen Sie 2 Liter Wasser pro Tag und 2 Toilettengänge. Das ist großzügig, aber es geht ja auch um ein Geschenk. 32 € am Tag mal 4 sind 128 €. Und da wurde noch nichts gegessen! Sollte der Beschenkte zum Alkoholkonsum neigen passen Sie diese Kalkulation bitte entsprechend an.

Wenn ich mir das aussuchen könnte, würde ich gern in einer Welt leben in der man fürs Pinkeln nicht bezahlen muss. Meine Meinung.

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AGB vom Schlossgrabenfest

Als Jurist kann ich nicht aus meiner Haut und ich lese natürlich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Das ist eine der Schattenseiten meiner Berufswahl. Richter unterstellen schnell das AGB gelesen werden und wenn man dann erstmal gekauft hat, wundert man sich manchmal was so alles in den AGB geregelt ist.

Nur eine kurze Anmerkung in eigener Sache. Ich bin weder Feind von Vergnügungen noch von Musik. Ich bin auch fürs Feiern. Das Schlossgrabenfest in seiner aktuellen Ausgestaltung ist ein seelenloses Kommerzfest, das große Teile der Darmstädter Bevölkerung komplett ausschließt und der Bereicherung weniger dient. Das muss sich ändern. Das Schlossgrabenfest muss ein Fest für Alle sein. Sind Sie der gleichen Meinung? Haben Sie Interesse gegen dieses Schlossgrabenfest aktiv zu werden? Schreiben Sie mir gerne eine E-Mail.

Professionelle Eventkommunikation

Time to Wonder: Die AGB stammen offenbar von einer Firma Luven Eventkommunikation (https://www.luvenevent.com/). Wir schauen ins Handelsregister. Das ist eine Agentur für online und offline EVENT-KOMMUNIKATION mit Sitz in der Erbacher Straße in Darmstadt. Die Kommunikations-Profis sehen es mit der Rechtslage allerdings nicht so eng. 

Von den Profis erfahre ich im Laufe des Kaufprozesses kein Wort zu konkretem Namen des Unternehmens, Adresse oder Kontaktdaten. Art. 246a EGBGB sieht für solche Verträge zahlreiche Pflichtinformationen vor. § 5 des Telemediengesetzes soll sicherstellen, dass man weiss mit wem man es zu tun hat, wenn man im Internet surft. Da geht es dann um so Feinheiten wie die Adresse des Vertragspartners oder die Frage, wer der Geschäftsführer ist, wo und unter welcher Nummer das Unternehmen in das Handelsregister eingetragen ist und ob eine Umsatzsteuer-ID vorliegt und wie diese lautet. Kein Hinweis auf ein (nicht) bestehendes Widerrufsrecht trübt den Kaufprozess. Solche rechtlichen Details sind für die Kommunikations-Profis der Luven GmbH ohne Bedeutung.

Im Handelsregister werden wir fündig. Geschäftsführer der LUVEN GmbH sind Frank Friedrich Grossmann und Thiemo Gutfried. Die kennen wir doch? Das sind doch auch die Geschäftsführer der Stage Groove Festival GmbH! Beide sind Inhaber der GmbH zu 50 %. Gut, gut, das hat also alles seine Ordnung. 

Aber die Frage bleibt, warum sind jetzt zwei GmbHs (Stage Groove Festival GmbH und Luven GmbH) tätig um das Schlossgrabenfest durchzuführen, wo früher doch eine ausreichend war?

Aus Eins mach Zwei

Vielleicht ist es so, dass über die eine GmbH die Einnahmen aus den Ticketverkäufen vereinnahmt werden, während über die andere die reichhaltigen Sponsorenzahlungen aus den städtischen Gesellschaften und die Kosten abgewickelt werden. Kommt das Fest dann mal vor Festbeginn unvorhergesehen in Schwierigkeiten (z.B. durch eine Pandemie), stellt die eine GmbH der anderen eine Rechnung – Schwupps sind die Ticketeinnahmen weg und die Besucher stehen mit Ihrer Rückforderung des Ticketkaufpreises im Regen. Aber das ist nur Spekulation und an den Haaren herbeigezogen!

Der Veranstaltungsbesuchsvertrag

Gehen wir die Sache nochmal durch.

Bei dem Vertrag, der hier zwischen dem Käufer des Tickets und der LUVEN GmbH geschlossen wird, soll es sich offenbar um einen Veranstaltungsbesuchsvertrag handeln. Wir spießigen Rechtsanwälte nennen das Ganze dann einen Werkvertrag mit mietrechtlichem Einschlag. Das herzustellende Werk ist der Auftritt des Künstlers oder der Künstler. Stand heute wissen Sie als Publikum noch gar nicht welche Künstler kommen. Folglich ist Ihnen auch noch kein konkreter Künstlerauftritt als Werk versprochen. Wenn Sie jetzt also eine Karte kaufen, ist es schwierig die Grenze zur Schlechtleistung zu ziehen. Wenn man genauer hinsieht, heißt es da: „60 Konzerte erwarten Dich auf drei Live-Bühnen und in der Club-Area sorgen 10 DJs für Unterhaltung“ und gleich auf der Startseite: „Ein bunter Genre-Stil-Mix aus Newcomern und bundesweit bekannten Top-Acts sowie Bands aus der Region“. Wenn es Ihnen also vollkommen egal ist, welche Musik gespielt wird, dann sind Sie beim Schlossgrabenfest richtig. 

Wettbewerbszentrale bitte kommen!

Bleiben wir nochmal gedanklich bei der Frage nach dem Vertragspartner. Wie wir wissen, wird das Schlossgrabenfest regelmäßig zu Gunsten der Stage Groove Festival GmbH genehmigt.

So war es im letzten Jahr, so wird es auch dieses Jahr sein. Die hat also die Erlaubnis zur Exklusivnutzung des städtischen Grunds. Wie kann mir dann die LUVEN GmbH ein Zutrittsrecht zu diesem Grund verkaufen? Noch ein anderer dunkler Verdacht überschattet das Early-Bird-Angebot. Gibt es diese Sondernutzungserlaubnis überhaupt schon?

Im vergangenen Jahr wurde die Erlaubnis erst wenige Tage vor Beginn der Kommerzparty erteilt. Der Aufbau lief schon und der City-Ring war schon abgesperrt. Ich glaube nicht, dass für das Schlossgrabenfest 2023 schon eine Genehmigung vorliegt. Ich frage aber gerne im Allgemeininteresse mal bei der Stadt nach.

Update: Die Pressestelle der Stadt Darmstadt hat bestätigt, dass bisher weder eine Genehmigung vorliegt, noch ein Antrag gestellt wurde.

Ich erlaube mir zu behaupten, dass derjenige, der noch nicht mal eine Genehmigung für eine Veranstaltung hat, für die er aber schon Karten verkauft, die potentiellen Käufer zumindest mal in wettbewerbsrechtlich relevanter Weise an der Nase herumführt (sog. Irreführung). Das ist rechtswidrig und führt zu einem Unterlassungsanspruch.

Wo ist denn hier mein Sitzplatz?

Mit dem mietvertraglichen Einschlag tue ich mir schwer. Als regelmäßiger Besucher des Darmstädter Musikfestivals wissen Sie: Es ist streng verboten Klappstühle mitzubringen! Der mietvertragliche Einschlag kann regelmäßig nur als Miete eines Sitz- oder Stehplatzes definiert werden.

Hierzu heißt es in den AGB der Luven GmbH aber:

„Die Karte berechtigt zum Zutritt auf das Veranstaltungsgelände als solches. Mit dem Ticketkauf ist ausdrücklich keine Stehplatz- und/oder Sichtgarantie bei einzelnen Konzerten verbunden. Die Platzvergabe erfolgt nach dem „First come, first serve -Prinzip“. Hintergrund: Es passen mehr Besucher auf das Veranstaltungsgelände des Schlossgrabenfestes als vor die einzelnen Bühnen. Sollten Sie einzelne Konzerte mangels Platzangebot vor den Bühnen daher nicht wahrnehmen können, bzw. keine Sicht auf die Bühne haben, so stellt dies keinen Minderungsanspruch bzw. einen Grund für eine Rückerstattung des Kartenkaufpreises dar.“

Die frohe Kunde lautet: Mit dem Ticket, dass Sie kaufen, dürfen Sie das Veranstaltungsgelände betreten! Noch nicht mal ein Platz mit Sicht auf die Bühne dürfen Sie erwarten. Nur eins ist sicher, der großzügige Zugang zu den vielseitigen Gastronomen auf dem Gelände. Sogar fürs Pinkeln werden Sie zur Kasse gebeten werden.

Der Nachsatz zum obigen Zitat legt mir die Stirn in Falten:

„Es passen mehr Besucher auf das Veranstaltungsgelände des Schlossgrabenfestes als vor die einzelnen Bühnen.“

Akteneinsicht für Achtzigjährige in Begleitung ihrer Großeltern

Ernsthaft: Wer mehr Menschen auf das Gelände packt, als vor die Bühnen passen, schafft ein ernsthaftes Sicherheitsrisiko. Jetzt wundere ich mich auch nicht mehr, warum mir die Stadt im Chor mit Herrn Thiemo Gutfried das Sicherheitskonzept des Schlossgrabenfests nicht übersenden wollte.

Auf meinen Antrag sollte mir die Einsicht nur unter folgenden Bedingungen genehmigt werden:

„Die Einsichtnahme hat unter Aufsicht zu erfolgen, es dürfen weder Notizen genommen, noch Kopien, Scans oder Fotografien auf welche Art auch immer gemacht werden. Das Dokument kann im Stadthaus Luisencenter, Luisenplatz 5, eingesehen werden. Dafür wird eine Zeit von maximal drei Stunden angesetzt.“

Selbst in dem Film „Der Mauretanier“ ist es der Anwältin erlaubt einen Stift und Zettel mit in die Gespräche mit dem Guantanamo-Insassen zu nehmen. Ich bin nicht Jodie Foster und ich kann auch (wahrscheinlich) niemand aus Guantanamo befreien. 

Aber, ob das Sicherheitskonzept des Schlossgrabenfests seinen Namen verdient hat, das wüsste ich schon gerne. Das würde ich Ihnen dann auch gerne berichten. Allein 3 Stunden ohne irgendwelche Hilfsmittel in einem Raum unter Aufsicht werde ich das mit Sicherheit nicht tun.

Das ist mein letzter Artikel zum Schlossgrabenfest in diesem Jahr. Ich muss ja auch noch arbeiten. Freuen Sie sich im neuen Jahr auf mehr Infos zu meiner Klage gegen die Stadt Darmstadt bezüglich der Höhe der Sponsorenzahlungen der Gesellschaften aus dem Darmstädter Stadtkonzern an die Veranstalter des Schlossgrabenfests.