Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde und revolutioniert Branchen. Doch mit den technologischen Fortschritten wachsen auch die rechtlichen Herausforderungen. Eine zentrale Frage, die Urheber und KI-Entwickler gleichermaßen beschäftigt: Darf eine KI mit urheberrechtlich geschützten Inhalten trainiert werden? Und was passiert, wenn die KI diese Inhalte anschließend fast identisch wiedergibt?
Ein aktuelles und wegweisendes Urteil des Landgerichts München I (Az. 42 O 14139/24) vom 11. November 2025 bringt nun Licht ins Dunkel und stärkt die Rechte von Urhebern erheblich.
Worum ging es in dem Fall?
Eine deutsche Verwertungsgesellschaft, die die Rechte an zahlreichen bekannten Liedtexten vertritt (darunter „Atemlos“, „Bochum“ und „36 Grad“), verklagte die Betreiber eines bekannten KI-Sprachmodells. Der Vorwurf: Das KI-Modell sei mit diesen Liedtexten trainiert worden und gebe sie auf einfache Anfragen (Prompts) hin ganz oder teilweise wieder.
Die KI-Betreiber argumentierten, das Modell würde die Texte nicht „speichern“ oder „kopieren“, sondern lediglich statistische Muster „lernen“. Die Ausgabe sei ein neu generiertes Ergebnis.
Das Kernproblem: „Memorisierung“ als Vervielfältigung
Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Es konzentrierte sich auf das Phänomen der „Memorisierung“. Wenn ein KI-Modell in der Lage ist, einen Trainingsdatensatz – wie hier die Liedtexte – auf eine einfache Anfrage hin nahezu identisch zu reproduzieren, liegt eine urheberrechtlich relevante Handlung vor.
Das LG München I stellte klar: Diese Memorisierung stellt eine Vervielfältigung (Kopie) im Sinne des § 16 UrhG (Urheberrechtsgesetz) dar. Für das Gericht war es dabei unerheblich, ob das Werk „am Stück“ oder zerlegt in unzählige Parameter im Modell gespeichert ist; entscheidend ist, dass es als Ganzes wieder wahrnehmbar gemacht werden kann.
Warum die „Text und Data Mining“-Ausnahme nicht greift
Die KI-Betreiber beriefen sich auf die sogenannte „Text und Data Mining“-Schranke (§ 44b UrhG). Diese Vorschrift erlaubt unter bestimmten Umständen die automatisierte Analyse von digitalen Werken, um Informationen zu gewinnen – was auch das Trainieren von KI-Modellen umfassen kann.
Hier zog das Gericht jedoch eine entscheidende Grenze:
Die Schranke des § 44b UrhG deckt zwar die Vervielfältigung zur Vorbereitung des Trainingsmaterials (also die Analyse), nicht aber die dauerhafte Speicherung (Memorisierung) des Werks im Modell selbst.
Sobald das Werk im Modell so gespeichert wird, dass es später wieder abgerufen werden kann, dient dies nicht mehr der reinen Analyse, sondern stellt eine neue Verwertungshandlung dar, die der Zustimmung des Urhebers bedarf.
Wer haftet? Der Anbieter, nicht (nur) der Nutzer
Eine weitere wichtige Klärung betraf die Haftung. Die Beklagten sahen die Verantwortung beim Nutzer, der den Prompt eingibt. Das Gericht widersprach: Bei einfachen Prompts („Wie lautet der Text von…“) übt der Betreiber des KI-Modells die Tatherrschaft aus. Er hat das Modell trainiert, er stellt es bereit und er ist dafür verantwortlich, wenn es Urheberrechte verletzt – insbesondere, wenn er von der Memorisierung wusste oder hätte wissen müssen.
Das Gericht verurteilte die Beklagten daher zur Unterlassung, Auskunftserteilung und zum Schadensersatz.
Fazit: Ein wichtiges Signal für Urheber
Diese Entscheidung ist ein Paukenschlag für die KI-Branche und ein wichtiges Signal für alle Kreativen. Das LG München I stellt klar, dass das Training von KI-Modellen kein rechtsfreier Raum ist. Das „Lernen“ einer KI wird zur Urheberrechtsverletzung, wenn es zur „Memorisierung“ und Reproduktion geschützter Werke führt.
Für KI-Anbieter bedeutet dies ein erheblich gestiegenes Haftungsrisiko. Sie können sich nicht pauschal auf die TDM-Schranke berufen und müssen sicherstellen, dass ihre Modelle keine geschützten Inhalte „auswendig lernen“ und wiedergeben.
Wenn Sie als Urheber, Künstler oder Unternehmen feststellen, dass Ihre Werke von einer KI genutzt oder wiedergegeben werden, stehen Ihre Chancen gut, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Die Rechtslage entwickelt sich rasant, und Kanzleien mit Spezialisierung im Urheber- und IT-Recht sind hier gefragt.
Die Kanzlei Kramarz verfügt über langjährige Expertise an der Schnittstelle von Technologie und Urheberrecht. Wenn Sie Fragen zum Schutz Ihrer Werke im KI-Zeitalter haben oder eine Verletzung Ihrer Rechte vermuten, nutzen Sie unsere kostenlose telefonische Erstberatung.
Kontaktieren Sie uns unter 06151-2768227, per E-Mail an anfrage@kanzlei-kramarz.de oder besuchen Sie uns auf kanzlei-kramarz.de/kontakt.
Was ist "Memorisierung" im Kontext von KI und Urheberrecht?
"Memorisierung" bezeichnet die Fähigkeit eines KI-Modells, urheberrechtlich geschützte Trainingsdaten (wie Liedtexte, Artikel oder Bilder) so zu speichern, dass sie auf Anfrage nahezu identisch wiedergegeben werden können[cite: 194]. Das LG München I sieht darin nicht nur ein "Lernen", sondern eine rechtlich relevante Speicherung. Für Fragen hierzu kontaktieren Sie gerne die Kanzlei Kramarz.
Ist das Trainieren einer KI mit meinen Werken automatisch erlaubt?
Nicht unbedingt. Zwar erlaubt die "Text und Data Mining"-Schranke (§ 44b UrhG) die *Analyse* von Werken für KI-Training, aber das LG München I hat klargestellt, dass diese Erlaubnis endet, wenn die Werke im Modell "memorisiert" werden[cite: 199, 686]. Diese Speicherung zur späteren Wiedergabe ist eine zustimmungspflichtige Vervielfältigung (§ 16 UrhG). Eine kostenlose telefonische Erstberatung erhalten Sie bei der Kanzlei Kramarz (Tel: 06151-2768227).
Wer haftet, wenn ein Chatbot mein Werk wiedergibt – der Nutzer oder der Anbieter?
Laut dem Urteil des LG München I haftet der **Anbieter** des KI-Modells. Dieser übt die "Tatherrschaft" über das System aus, da er es trainiert hat und für die Memorisierung verantwortlich ist. Die Haftung des Nutzers tritt dahinter zurück, insbesondere wenn dieser nur einfache, nicht-provozierende Anfragen stellt. Im Zweifel beraten wir Sie gerne: anfrage@kanzlei-kramarz.de.
Was kann ich tun, wenn eine KI meine Werke unerlaubt nutzt?
Wenn Sie den Verdacht haben, dass Ihre Werke (Texte, Bilder, Musik) von einer KI memorisiert wurden und wiedergegeben werden, stehen Ihnen Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz zu. Rechtsanwalt Christian Kramarz, LL.M., Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht sowie für IT-Recht, prüft Ihre Situation und hilft bei der Durchsetzung Ihrer Rechte. Nutzen Sie unsere kostenlose telefonische Erstberatung unter 06151-2768227 oder besuchen Sie uns auf kanzlei-kramarz.de.