Fernunterricht, Mentoring, Coaching, Training, Beratung, Guidance

Ein Tipp für die Politik: Verbraucherschutz effektiv und kostengünstig

Es gibt Bereiche, in denen es für die Politik einfach und billig wäre, für faire Bedingungen zu sorgen. Zum Beispiel bei Mentoring, Coaching, Training, Beratung, Guidance.

Meine anekdotische Evidenz zeigt, dass junge Menschen oder Menschen in Lebenskrisen dazu neigen, Online-Seminare mit Heilsversprechen im Internet zu buchen.

Sie müssen sich das so vorstellen, als ob sie zwischen 6.000 und 60.000 Euro (je nach Anbieter) für die Möglichkeit zu bezahlen, mehr oder weniger exklusive, bewusstseinserweiternde YouTube-Videos anschauen zu können und Mitglied in einer WhatsApp- oder Facebook-Gruppe zu sein. Die so genannte „Vertragsreue“ ist hier weit verbreitet.

Vielleicht sollte man das regulieren?

Damit nicht so viele Menschen über Ratenzahlungsverträge in diese obskuren Verträge einsteigen und über Monate oder Jahre Summen zahlen, die das monatlich zur Verfügung stehende Geld unter das Existenzminimum drücken.

Hier ist eine Regelung notwendig.

Denn diese Coaching-Verträge sind typischerweise so gestaltet, dass man die Teilnahme als gewerbliche Tätigkeit einordnen muss (§ 14 BGB). Ein Widerrufsrecht etc. besteht dann nicht. Erfahrungsgemäß geben die Geschädigten bei Interesse zunächst ihre Kontaktdaten an den Anbieter weiter. Von dort rufen dann professionell geschulte so genannte „Closer“ an, die nur Ziel haben: Den Interessenten zum Vertragsabschluss zu bewegen. Viele Betroffene berichten, dass sie psychisch unter Druck gesetzt wurden.

Es gibt bereits ein Gesetz!

Es gibt eine gute Nachricht: Es gibt das Fernunterrichtsschutzgesetz! Das gibt es bereits seit den 70er Jahren! Und weil es aus den 70er Jahren ist, gibt es sogar eine Behörde dafür, die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU).

Es wäre ein Traum, wenn diese Behörde einfach mal das Fernunterrichtsschutzgesetz umsetzen würde, anstatt ihren eigenen Zuständigkeitsbereich so eng wie möglich zu halten. Dann müssten die Anbieter von Mentoring, Coaching, Training, Beratung, Guidance im Internet ihr Angebot erst einmal bei der Behörde genehmigen lassen. Die Behörde prüft dann die Inhalte. Der Witz ist: Wenn du als Fernunterrichtsanbieter keine Zulassung hast, sind alle deine Fernunterrichtsverträge nichtig. Toll. Die Betrogenen bekommen ihr Geld zurück.

Leider hat die Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) irgendwann in einem Fiebertraum eine wundersame Trennung zwischen synchronem und asynchronem Fernunterricht halluziniert. Diese gibt es nicht im Gesetz, nicht in der Gesetzesbegründung, sondern nur und ausschließlich in der Argumentation der Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU).

Synchroner Fernunterricht ist, wenn man live mit dem „Lehrenden“ interagieren kann. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich nach Auffassung der ZFU um asynchronen Fernunterricht. Im Gesetz § 1 Abs. 1 FernUSG heißt es jedoch

„Fernunterricht im Sinne dieses Gesetzes ist die entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten auf vertraglicher Grundlage, bei der

  1. der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind
  2. ….“
 

Nennt mich verrückt, aber streng genommen ist man doch sowohl beim „synchronen“ als auch beim „asynchronen“ Fernunterricht räumlich getrennt? Sonst wäre es ja kein Fernunterricht.

Naja, so sieht es die zfu immer noch und verteilt auf dieser Basis fleißig Bescheinigungen an Mentoren, Coaches, Trainer, Berater, Lehrer und Guides, aus denen hervorgeht, dass das jeweilige Angebot nicht erlaubnispflichtig nach dem FernUSG ist. Sog. Persil-Scheine. Die Älteren wissen was gemeint ist.

Das führt dann auch nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages. Konsequenz: Leider musst Du, lieber Mitbürger in der Sinnkrise, die restlichen 20.000 € für den Kurs mit den 12 YouTube Videos und der WhatsApp Gruppe noch die nächsten 3,5 Jahre jeden Monat 500 € zahlen, bis du die Schulden aus dem Mentoring beglichen hast.

Wie wäre es, wenn die Behörde einfach mal die Buchstaben des Gesetzes ohne solche Verrenkungen anwendet?

Immer mehr solcher Verträge landen vor Gericht. Und immer mehr Gerichte sind bereit, solchen Geschäftspraktiken einen Riegel vorzuschieben und das Fernunterrichtsschutzgesetz anzuwenden.

Zum Beispiel das Oberlandesgericht Celle. Es hat einfach entschieden (Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 29.05.2024, Az.: 13 U 8/24), dass es nicht darauf ankommt, ob der Teilnehmer Verbraucher ist oder nicht. Denn nur weil in der Gesetzesbegründung steht, dass das Gesetz dem Verbraucherschutz dient, heißt das noch lange nicht, dass es nur dem Verbraucherschutz dienen soll!!! Es kann auch einfach nur dem Schutz der Mitmenschen dienen, was hier wohl angebracht wäre.

Wie gesagt, in Zeiten knapper Kassen kann man hier niedrig hängende Früchte im Verbraucherschutz ernten, ohne die 35.000 Informations- und Kennzeichnungspflichten einzuführen.

Die Politik muss nur einmal dafür sorgen, dass das Amt auf seiner eigenen Internetseite keine solchen Unsinnshinweise gibt und sein Herz für den Mitbürger entdeckt. Belege für die Richtigkeit der Auffassung der zfu finden sich nur in einigen alten Kommentaren, die bei Beck Online zu finden sind und deren einzige Ratio wohl darin besteht, dass alle voneinander abgeschrieben haben.

Also…bitte… Hallo Amtsleitung! Bitte mal die Rechtsauffassung ändern, sonst wird geklagt!