Das Architektenurheberrecht

architektenurheberrecht

Das Urheberrecht schützt auch Rechte der Baukunst und die Entwürfe von Werken der Baukunst. Urheber von Werken der Baukunst ist typischerweise ein Architekt. Architekten verfügen über vertieftes Wissen der Bautheorie und wenden Ihr Wissen beim Entwurf von Gebäuden an. Das Architektenurheberrecht schützt die kreativen Rechte des Architekten in seiner Funktion als Urheber.

In diesem Artikel werden die Grundlagen des Architektenurheberrechts erläutert. Zu diesen Grundlagen gehört die Frage, wann das urheberrechtliche Schutzrecht des Architekten entsteht. Dafür kommt es auf die Schutzschwelle des § 2 Abs. 2 UrhG an. § 2 Abs. 2 UrhG setzt die Schwelle für die Erlangung urheberrechtlichen Schutzes beim Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung.

Damit kommt es für die Erlangung des Schutzes nicht darauf an, ob der Architekt „Kunst“, bzw. ein geschütztes Werk schaffen will. Reine Zweckbauten können vom Schutz des Urheberrechts ebenso profitieren, wie Bauten, die einen explizit künstlerischen Anspruch haben. Voraussetzung ist allein dass das Bauwerk sich vom gewöhnlichen Schaffen absetzt.

Es gibt keine Begrenzung des Schutzes auf bestimmte Typen von Bauten. Der Schutz des Urheberrechts kann sich auch nur auf bestimmte Teile von Bauten beziehen. Die Verbindung des Bauwerks mit dem Erdboden ist nicht erforderlich, entschied das LG Oldenburg im Streit zwischen einem Hersteller von Hausbooten und einem Tischlermeister.

Der Aufwand, der für die Errichtung eines Bauwerks getrieben werden muss, ist kein Kriterium für die Schutzfähigkeit eines Werkes der Baukunst. Es ist jedoch zwischen Ideen und Anregungen und der konkreten Werkschaffung zu unterscheiden. Ideen und Anregungen verschaffen kein Urheberrecht. Ein Urheberrecht entsteht nur an der konkreten Ausgestaltung.

Um Schutz beanspruchen zu können, muss das Bauwerk oder der Teil des Bauwerks auf das sich der Schutz des Architektenurheberrechts bezieht für andere Menschen wahrnehmbare Form haben. Eine bloße Idee zu einem Bauwerk ist nicht schutzfähig. Solange die Idee noch keine konkrete Form angenommen hat. Das Bauwerk muss individuell gestaltet sein. Dazu muss das Bauwerk sich von alltäglichen und routinemäßig erstellten Bauwerken unterscheiden. Dabei muss der Architekt bei der Gestaltung zumindest einen kleinen Gestaltungsspielraum haben. Ein solcher Gestaltungsspielraum ist nicht gegeben, wenn technische Erfordernisse das Bauwerk in seiner konkreten Form bedingen.

Träger des Architektenurheberrechts kann nur eine natürliche Person sein. Der Architekt hat aber die Möglichkeit Nutzungsrechte an seinem Werk einzuräumen. Auch der Entwurf zu einem Werk der Baukunst ist urheberrechtlich geschützt (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG), wenn die individuellen Züge, die das Bauwerk als persönliche geistige Schöpfung erkennbar machen, § 2 Abs. 2 UrhG, bereits im Entwurf erkennbar sind. (BGH, Urteil vom 15.12.1978, Az. I ZR 26/77)

Individualität

Das bedeutet nicht, dass der vorhandene Gebrauchszweck eines Bauwerks die schützenswerte Individualität, die im Bauwerk zum Ausdruck kommt, automatisch ausschließt. Es bedarf auch keines schmückenden Beiwerks um die Schutzschwelle des § 2 Abs. 2 UrhG zu erreichen. Es reicht auch, wenn der ästhetische Gehalt der Gestaltung ausreicht, um von einer künstlerischen Gestaltung zu sprechen.

Für die Beurteilung ist der ästhetische Eindruck maßgeblich, den das Werk nach dem Durchschnittsurteil des für Kunst empfänglichen und mit Kunstfragen einigermaßen vertrauten Menschen vermittelt. Es kommt nicht auf die ästhetischen Feinheiten an, die ein auf dem Fachgebiet arbeitender Fachmann herausfühlt. Deshalb ist für die Feststellung der Schöpfungshöhe die Einholung eines Sachverständigengutachtens regelmäßig nicht erforderlich (BGH GRUR 2008, 984, 986, BGH GRUR 1982, 107, 110, BGH GRUR 1974, 675, 677, BGHZ 24, 55, 68). Die Frage, ob ein Gebäude den Schutz als Werk der Baukunst nach Urheberrecht beanspruchen kann, beantwortet sich also regelmäßig einzig durch die Beurteilung des Werks.

Es kann jedoch ein Indiz für eine individuelle Gestaltung darstellen, wenn in der Präambel des Architektenvertrags davon gesprochen wird, dass das Ziel der Zusammenarbeit die Entwicklung einer außergewöhnlichen und präzise auf die flexiblen Bedürfnisse der Bauherren zugeschnittene Villa sein soll.(LG Hamburg, Urteil vom 17.5.2013, Az. 324 O 655/12, Rn.26)

Zur Erreichung der Individualität ist es nicht erforderlich, dass das Bauwerk und seine Formengestaltung zuvor vollständig unbekannt gewesen ist. Werden bekannte Gestaltungselemente in neuer Weise kombiniert, kann ein individuelles Werk der Baukunst vorliegen. Gestaltungselemente auf die es Werken der Baukunst ankommt, sind Proportionen, Größe, die Einbindung in das Gelände, die Umgebungsbebauung, Verteilung der Baumasse, konsequente Durchführung eines Motivs und Gliederung einzelner Bauteile wie der Fassade oder des Daches, sowie, dass alle einzelnen Teile des Bauwerks so aufeinander bezogen sind, dass sie zu einer Einheit verschmelzen (OLG Karlsruhe Urteil vom 3.6.2013, 6 U 72/12, Rn. 27).

Miturheberschaft unter Architekten

Miturheber erstellen aufgrund einer gewollten Zusammenarbeit ein einheitliches Werk, indem sie ihre Beiträge der Gesamtidee unterordnen und die einzelnen Beiträge für sich nach § 2 Abs. 2 UrhG schutzfähig sind und nicht gesondert verwertet werden können. Dabei ist es unwichtig, wie hoch der jeweilige Anteil an dem Gesamtwerk waren, solange sie nur schöpferisch waren. Wer ohne Wissen des ursprünglichen Urhebers Beiträge zum Werk erbringt, ist nicht Miturheber sondern Bearbeiter des Werkes, § 23 UrhG.

Namensnennungsrecht des Architekten

Der Architekt kann die Anerkennung seiner Urheberschaft durch Anbringung der Urheberbezeichnung verlangen, § 13 S.1 UrhG und Dritte daran hindern, sich diese anzumaßen. Er kann nach § 13 S.2 UrhG insbesondere bestimmen, wie und ob sein Name am Werk anzubringen ist (BGH Urteil vom 16.06.1994, Az.: I ZR 3/92).

Im Baugewerbe entspricht es nicht den Verkehrsgewohnheiten bzw. der allgemeinen Branchenpraxis, den Namen des Architekten zu nennen, daher kann dieses Recht eingeschränkt sein, wenn diese Gewohnheiten, auch stillschweigend Vertragsinhalt geworden sind (BGH, aaO).

Dabei darf der Architekt zwischen Vor- und Familiennamen, Künstlername, Pseudonym oder Künstlerzeichen wählen. Der Architekt kann auch Anonymität verlangen, dieses Verlangen wird auch von § 107 UrhG geschützt. Er kann allerdings nicht verhindern, dass Dritte seinen Namen mit diesem Werk in Verbindung bringen.

Änderungsverbot an Werken der Baukunst

Der BGH geht von einem allgemeinen Änderungsverbot gegenüber den Nichtwerknutzungsberechtigten in Anknüpfung an eine Formulierung des Reichsgerichts (RGZ 69, 242, 244) aus. Die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Änderungsverboten kann offenbleiben, weil immer eine Interessenabwägung vorzunehmen ist, ob ein urheberrechtlicher Integritätsschutz zuzubilligen ist. (OLG Stuttgart, 06.10.2010 – 4 U 106/10, Rn. 125)

1. Prüfungsschritt

Das Werk muss beeinträchtigt werden.

Das Änderungsverbot richtet sich gegen eine Verletzung des Bestands und der Unversehrtheit des Werks in seiner konkret geschaffenen Gestaltung, der Begriff der Werkänderung erfordert daher grds. einen Eingriff in die Substanz der urheberrechtlichen Gestaltung (BGH, Urteil vom 19.03.2008, Az.: I ZR 166/05). Eine Entstellung ist ein besonders schwerwiegender Fall der Beeinträchtigung, die die Wesenszüge des Werks in gravierender Weise verzerrt oder verfälscht (OLG Stuttgart, Urteil vom 06.10.2010, Az.: 4 U 106/10, Rn. 25).

Es genügt allerdings, wenn die urheberpersönlichkeitsrechtlichen Interessen des Architekten an seinem Werk beeinträchtigt werden (BGH, Urteil vom 02.10.1981, Az.: I ZR 137/79), z.B.  in dem ein geschütztes Werk verändert wird, aber der normale Betrachter annimmt, dass der Originalarchitekt der Urheber des Gesamtwerkes ist (BGH, Urteil vom 07.02.2002, Az.: I ZR 304/99),  wenn der Eingriff den Raumeindruck verfälscht (BGH, Urteil vom 01.10.1998, Az.: I ZR 104/96) oder wenn die ästhetische Wirkung des Gebäudes erheblich verändert wird (BGH, Urteil vom 31.05.1974, Az.: I ZR 10/73).

2. Prüfungsschritt

Es müssen berechtigte Interessen des Urhebers gefährdet werden, allerdings genügt dafür jede objektiv nachweisbare direkte oder indirekte Änderung des Werks (Schulze in Dreier/ Schulze, Urheberrechtsgesetz, Urheberrechtswahrnehmungsgesetz, Kunsturhebergesetz – Kommentar, 3.Aufl. München 2008, § 14, Rn. 15).

3. Interessensabwägung

 Auf der dritten Stufe folgt eine Abwägung im konkreten Einzelfall zwischen dem Bestands- und Integritätsinteresse des Architekten an der Erhaltung des Werks und den Interessen des Eigentümers an seiner Beeinträchtigung und Veränderung des Werkes.

Hierfür sind keine klaren und allgemeingültigen Regeln zu erkennen, die Interessensabwägung kann daher zu einem engeren oder weiteren Freiheitsspielraum des Nutzers führen. Allerdings muss der Architekt vertraglich eingeräumte Änderungsrechte oder Verwertungszwecke hinnehmen, es sei denn, es wird der unverzichtbare Kern seines Urheberpersönlichkeitsrechts tangiert, bspw. durch eine gröbliche Entstellung.

Abwägungsfaktoren auf Seiten des Architekten sind der individuelle Schöpfungsgrad, der Rang des Werkes (BGH, Urteil vom 19.03.2008, Az.: I ZR 166/05), und des Ansehens des Architekten (BGH, Urteil vom 13.10.1988, Az.: I ZR 15/87). Es gilt wohl die Faustregel, je individueller und einzigartiger das Werk ist, desto höher ist das Interesse des Architekten an seinem Erhalt und desto weniger Änderungen sind zulässig (OLG Stuttgart, Urteil vom 06.10.2010, Az.: 4 U 106/10, Rn. 136). Allerdings schwindet das Urheberinteresse langsam nach dem Tod des Urhebers und schwächt sich daher immer mehr ab.

Auf der Seite des Eigentümers ist insbesondere der Gebrauchszweck des Bauwerks zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 19.03.2008, Az.: I ZR 166/05). Da der Architekt weiß, dass der Eigentümer das Bauwerk zweckgebunden verwenden möchte, muss er damit rechnen, dass wechselnde Bedürfnisse des Eigentümers bauliche Veränderung erforderlich machen können. Besonders gering ist das Erhaltungsinteresse des Architekten, wenn mit einem Zweckbau von Anfang an mehrere Gebrauchszwecke verfolgt werden und nunmehr auf einen dieser Gebrauchszwecke der alleinige Schwerpunkt gelegt werden soll (OLG Dresden, Urteil vom 13.11.2012, Az.: 11 U 853/12, Rn.31) oder der Architekt gegen Honorar für einen fremden Eigentümer unter Bereitstellung von Grundstück, Baumaterial und Arbeitskraft ein Bauwerk geschaffen hat. Ebenso sind Modernisierungsinteressen des Eigentümers zu beachten. Auch wirtschaftliche Gesichtspunkte können von Bedeutung sein, etwa die Veränderung eines Flachdachs in ein geneigtes Dach nach aufgetretenen Wasserschäden. Überragende Gemeinwohlinteressen sind dagegen dann nicht zu beachten, wenn der Eigentümer seinerseits das Urheberrecht im Planfeststellungsverfahren missachtet hat (OLG Stuttgart, Urteil vom 06.10.2010, Az.: 4 U 106/10, Rn. 156). Auch Städtebauliche Gründe auf Seiten des Eigentümers sind nicht zu beachten, da sie keine eigenen Interessen und Pflichten des Eigentümers sind.

Zugangsrecht des Architekten in AGB

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Zugangsrecht des Architekten, dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart wurde, regelmäßig unwirksam ist (BGH, Urteil vom 29.04.2021, Az.: I ZR 193/20). 

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen war folgende Klausel vereinbart worden:

„Der Auftragnehmer ist berechtigt – auch nach Beendigung dieses Vertrags – das Bauwerk oder die bauliche Anlage in Abstimmung mit dem Auftraggeber zu betreten, um fotografische oder sonstige Aufnahmen zu fertigen.“

Dies erachtete der Bundesgerichtshof als unzulässige AGB-Klausel. Die Klausel würde dem Architekten ein uferloses Zugangsrecht gewähren und würde daher den Interessen des Bauherren keine Rechnung tragen.