Diskobetreiberin haftet für rutschige Tanzfläche

Verkehrssicherungspflicht Veranstalter Haftung

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat mit Urteil vom 16.03.2022 (Az. 7 U 125/21) die Betreiberin einer Diskothek wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu ca. 37.000 € Schadensersatz verurteilt.

Eine Diskobesucherin war auf einer Getränkepfütze ausgerutscht und hatte sich beim anschließenden Sturz mehrere Knochenbrüche zugezogen. Sie musste über zwei Wochen stationär im Krankenhaus behandelt und mehrfach operiert werden. Die hierfür angefallenen Behandlungskosten wollte die Krankenversicherung der Frau von der Betreiberin der Diskothek ersetzt haben.

Das erstinstanzlich zuständige Landgericht Mosbach wies die Klage ab. Die hiergegen beim OLG Karlsruhe eingelegte Berufung hatte jedoch in vollem Umfang Erfolg. Das OLG sprach der Klägerin einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Diskothekenbetreiberin zu.

Um der Haftung zu entgehen, hätte die Betreiberin der Diskothek beweisen müssen, dass sie für eine ausreichende Kontrolle und Reinigung des Tanzbodens gesorgt hatte und der Sturz dennoch nicht verhindert werden konnte, weil etwa das Getränk erst nach einem kurz zuvor durchgeführten Kontrollgang auf den Boden gelangt war.

Dies gelang der Beklagten nicht, denn bereits die Kontrollanweisungen an den „Chef-Springer“ seien laut Gericht nicht ausreichend gewesen. Dieser war lediglich dazu angehalten, sich von einer Bühne aus einem Überblick über die Tanzfläche zu verschaffen, ohne diese jedoch selbst zu betreten, wodurch er die Einzelheiten des Fußbodens nicht erkennen konnte. Hierzu stellte das Gericht fest, dass zwar nicht ständig ein Mitarbeiter mit einem Bodenwischer über die Tanzfläche laufen müsse, eine effektive Kontrolle des Fußbodens in gewissen Zeitabständen jedoch notwendig sei. Dies gelte insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Betreiberin der Diskothek die Mitnahme von Getränken auf die Tanzfläche zuließ und deshalb mit dem Verschütten von Flüssigkeiten während des Tanzens hätte rechnen müssen.

Mit dieser Entscheidung äußerte sich das OLG zum Umfang der nicht nur für Veranstalter überaus bedeutsamen Verkehrssicherungspflichten und den damit verbundenen Anforderungen hinsichtlich der Überwachung und Kontrolle des Zustandes einer Tanzfläche.

Verkehrssicherungspflichten für Veranstalter

Unter einer Verkehrssicherungspflicht versteht man die Pflicht zur Sicherung bestimmter Gefahrenquellen zum Schutze Dritter. Wer eine Gefahrenlage schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, durch notwendige und zumutbare Vorkehrungen die Schädigung anderer zu verhindern. Eine unzureichende oder unterlassene Absicherung kann zu Schadensersatzansprüchen nach den §§ 823ff. BGB führen. Genaue Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten sind gesetzlich jedoch nicht geregelt, sodass der Rechtsprechung in diesem Bereich eine enorme Bedeutung zukommt.

Im Allgemeinen umfasst die rechtlich gebotene Verkehrssicherung nach der Rechtsprechung diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar, weshalb nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden muss. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Diese Grundsätze sind dem BGH Urteil vom 8. November 2005 – VI ZR 332/04 zu entnehmen.

Letzten Endes hängt die Frage, ob die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht gegeben ist, immer von den Umständen des Einzelfalles ab.

Stage-Diving

Dass somit die genaue Festlegung der Anforderungen an die Veranstalter von Massenveranstaltungen nicht ganz einfach ist, zeigt der Blick auf zwei Entscheidungen zum sog. Stage-Diving, dem Springen von der Bühne in die Zuschauermenge, wonach die jeweiligen Personen über das Publikum gereicht und nach einer Zeit wieder abgeladen werden.

Im Jahr 2001 hatte das OLG Hamm (Az.13 U 146/01) über die Berufung des beklagten Konzertveranstalters gegen ein Urteil des LG Bochum zu entscheiden. Eine Besucherin eines Rockkonzertes hielt sich in unmittelbarer Nähe zur Bühne auf, als zwei Personen von dieser in den Zuschauerraum sprangen. Dabei erlitt sie Knieverletzungen, die zu einer über einmonatigen Arbeitsunfähigkeit führten. Absperrungen waren keine vorhanden, lediglich zwei Ordner befanden hinter den Boxentürmen. Die Klägerin nahm die Beklagte daraufhin auf Schadensersatz in Anspruch, da die Beklagte nach ihrer Ansicht als Konzertveranstalter das Stage-Diving verhindern und andere Konzertbesuche vor Schäden hätte bewahren müssen. Das Gericht gab der Klägerin Recht und entschied, dass die Veranstalterin ihre obliegende Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt hatte. So handele ist sich beim Stage-Diving um ein bei Rockkonzerten durchaus häufig auftretendes Phänomen, welches der Konzertveranstalterin auch bekannt gewesen sei, sodass diese verpflichtet gewesen sei, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das Stage-Diving zu unterbinden. Dass sich die zwei Ordner hinter den Bodentürmen aufgehalten hatten, sei keinesfalls ausreichend gewesen.

Die jeweiligen Maßnahmen hingen jedoch vom Einzelfall ab. Beispielhaft nannte das Gericht hierzu das Sichern des Bühnenbereichs mit durch Gitter oder Barrieren, gegebenenfalls zusätzlich durch Ordner im Bereich der Absperrungen.  Es könne aber auch ausreichend sein, nur Ordnungskräfte im Bühnenbereich zu postieren, welche eingreifen könnten, wenn Besucher auf die Bühne gelangen wollten.

Einschränkend wurde in diesem Fall jedoch noch berücksichtigt, dass die Klägerin ein Mitverschulden traf. Da diese sich trotz der im Verlauf der Veranstaltung stets steigernden Stimmung nahe der Bühne aufgehalten hatte, habe sich diese bewusst einem erhöhtem Risiko ausgesetzt.

Keine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten im Einzelfall

Anders hat das Landgericht Hechingen mit Urteil vom 15. April 2002 (AZ: 2 O 389/01) entschieden.

Der Kläger hatte als Mitglied einer Jugendgruppe und unter Begleitung erwachsener Begleitpersonen ein Rockfestival besucht. Eine Rockband animierte dort im Rahmen ihres Auftritts die Zuschauer zum Stage-Diving. Dieser Aufforderung kam auch der Kläger nach, verletzte sich jedoch nach mehrmaligem Springen von der ca. 1,50 m hohen Bühne an der linken Schulter. Daraufhin verlangte der Kläger vom Veranstalter des Festivals Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen Verletzung seiner Verkehrssicherungspflichten. Die Veranstalter hätten die Gefährlichkeit des Stage-Diving für die anwesenden Jugendlichen erkennen müssen und durch Einsatz von Sicherheitspersonal ein solches unterbinden müssen.

Dem wollte das Gericht jedoch nicht folgen und wies die Klage ab. Es erkannte zwar das Vorliegen einer Verkehrssicherungspflicht, doch liege in diesem Fall kein Verstoß dagegen vor. Hierzu führte zunächst an, dass der Veranstalter eines Rockkonzerts ausreichende Sicherheitsstandards zu gewährleisten und zu kontrollieren habe. Dabei seien insbesondere Maßnahmen zu ergreifen, um Jugendliche und Kinder vor den Folgen ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit zu schützen. Auch erkannte das Gericht die Verletzungsrisiken des Stage-Divings. Dennoch könne im Rahmen der bestehenden Verkehrssicherungspflicht nicht jegliches Risiko ausgeschlossen werden, weshalb es nicht die Pflicht des Veranstalters sei, von vornherein ein Stage-Diving zu verbieten oder durch entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu gewährleisten, dass kein Jugendlicher auf die Bühne steigt.  Von einem 15-jährigen Gymnasiasten sei aufgrund seiner intellektuellen Fähigkeiten und seiner Entwicklung zu erwarten, dass er sich über die Verletzungsrisiken beim Stage-Diving bewusst ist. Die meisten Gerichte dürften dies anders beurteilen, dennoch zeigt diese Entscheidung, dass im Einzelfall auch unerwartete Entscheidungen ergehen können.

Aktuelles Urteil zur Haftung beim Crowd-Surfing in den USA

Fälle dieser Art beschäftigen nicht nur deutsche Gerichte. So hatte jüngst ein Berufungsgericht in den USA über darüber zu entscheiden ob, einem Sicherheitsmitarbeiter des Stadionmanagements gegen die Rockband Blink-182 und deren Tourneeagentur Schadensersatzansprüche zustanden. Der für die Absicherung der Bühne zuständige Sicherheitsmitarbeiter war von einer Crowd-Surfenden Frau an den Augen verletzt worden, wodurch er auf dem linken Auge vollständig und auf dem rechten teilweise erblindete. Der Kläger behauptete, dass der Sicherheitschef der Band entgegen der örtlichen Bestimmungen die Anweisung gegeben habe, das Crowd-Surfing zu erlauben. Das Gericht lehnte letztlich alle Ansprüche ab, da der Kläger nach den US-amerikanischen Tort-Theories, welche für eine deliktische Haftung ausschlaggebend sind, keine Verantwortlichkeit der Band bzw. der Tourneeagentur für das Handeln des Sicherheitschefs feststellen konnte. Auch Ansprüche gegen den Arbeitgeber des Klägers, der die Verantwortung für das Stadion hatte, bestanden keine, da dieser bereits Arbeitnehmerversicherungsleistungen erhalten hatte, sodass nach dem Recht des Staates Ohio keine Klage gegen den Arbeitgeber erhoben werden konnte.