USA: Rechtsstreit um KI-gestützte Rechtsrecherche: Thomson Reuters vs. ROSS Intelligence

Urteil-KI-Urheberrecht

Rechtsstreit um KI-gestützte Rechtsrecherche: Thomson Reuters vs. ROSS Intelligence

Die Digitalisierung hat auch in der juristischen Forschung Einzug gehalten. Ein prominentes Beispiel dafür ist der Rechtsstreit zwischen Thomson Reuters Enterprise Centre GmbH und West Publishing Corp. (Klageseite) gegen ROSS Intelligence Inc. (Beklagte). Das Verfahren wurde vor dem United States District Court for the District of Delaware geführt (Aktenzeichen: No. 1:20-cv-613-SB), mit einer Entscheidung am 11. Februar 2025 durch Richter Bibas.

Hintergrund des Falls

Thomson Reuters ist Eigentümer von Westlaw, einer der führenden legalen Datenbanken für juristische Recherchen. Diese Plattform bietet zahlenden Nutzern Zugang zu Fallrecht, Gesetzestexten und Kommentaren, darunter die Westlaw-Headnotes, welche wichtige rechtliche Erkenntnisse aus Urteilen zusammenfassen und nach einem speziellen Key Number System sortiert sind.

ROSS Intelligence entwickelt eine KI-gestützte Suchmaschine für juristische Forschung und benötigte dafür Trainingsdaten. Nachdem Thomson Reuters die Lizenzierung von Westlaw-Daten verweigerte, nutzte ROSS das Unternehmen LegalEase, um Trainingsmaterial in Form von sogenannten Bulk Memos zu erhalten. Diese enthielten juristische Fragen und Antworten, basierend auf Westlaw-Headnotes. Als Thomson Reuters dies entdeckte, reichte das Unternehmen Klage wegen Urheberrechtsverletzung ein.

Kernfragen und Argumente der Parteien

Die zentrale juristische Fragestellung drehte sich um die Frage, ob ROSS durch die Verwendung der Headnotes von Westlaw gegen das Urheberrecht verstoß oder ob es sich um eine zulässige Nutzung unter der Fair-Use-Doktrin handelte.

Argumente von Thomson Reuters:

  • Die Headnotes sind urheberrechtlich geschützte Werke.
  • ROSS habe durch LegalEase eine erhebliche Anzahl dieser Headnotes kopiert (mindestens 2.243 nachgewiesene Fälle).
  • Der Einsatz der Headnotes zur KI-Training diene kommerziellen Zwecken und sei daher kein Fair Use.
 

Argumente von ROSS Intelligence:

  • Die Headnotes seien lediglich Zusammenfassungen bereits existierender Gerichtsentscheidungen und somit nicht schutzwürdig.
  • Der Einsatz der Daten sei transformativ, da die Headnotes nicht direkt in der finalen Suchmaschine von ROSS angezeigt wurden.
  • Der Einsatz fördere den Zugang zu juristischen Informationen und sei daher im öffentlichen Interesse.
 

Entscheidung des Gerichts

Nach einer ersten Entscheidung im Jahr 2023, die noch viele Fragen für eine Jury offen ließ, wurde die Zusammenfassung der Beweislage 2025 revidiert. Das Gericht entschied wie folgt:

  1. Urheberrechtsverletzung: Das Gericht befand, dass ROSS tatsächlich 2.243 Westlaw-Headnotes kopiert hatte, was eine Urheberrechtsverletzung darstellt.
  2. Fair Use abgelehnt:
    • Der Einsatz durch ROSS sei kommerziell und nicht transformativ.
    • Thomson Reuters verliere durch den Einsatz von ROSS potenzielle Marktanteile.
    • Die Tatsache, dass ROSS durch LegalEase an die Daten gelangte, widerlege das Argument eines fairen Gebrauchs.
  3. Verteidigungsstrategien von ROSS abgelehnt:
    • Die Argumente zu unschuldigem Verstoß, Copyright Misuse, Merger Doctrine und Scenes à Faire wurden allesamt abgelehnt.

Mögliche Rechtsmittel

Da es sich um eine Entscheidung des United States District Court for the District of Delaware handelt, besteht die Möglichkeit, Berufung beim United States Court of Appeals for the Third Circuit einzulegen. Sollte auch dort kein Erfolg erzielt werden, könnte ROSS versuchen, den Fall vor den Supreme Court of the United States zu bringen.

Fazit

Der Fall zeigt, wie entscheidend der Umgang mit KI-Training und urheberrechtlich geschützten Daten in der digitalen Welt ist. Die Entscheidung stellt klar, dass die Nutzung urheberrechtlich geschützter Materialien für KI-Training nicht automatisch als Fair Use gewertet wird. Das Urteil könnte zukünftige Entwicklungen im Bereich Legal Tech und KI-gestützter Forschung erheblich beeinflussen.

: LG Hamburg stärkt Forschungsfreiheit im Urheberrecht
Das LG Hamburg entschied am 27.09.2024 (Az. 310 O 227/23), dass KI-Training mit urheberrechtlichen Werken unter §60d UrhG zulässig ist, wenn wissenschaftlich und nicht-kommerziell. ➡️ https://kanzlei-kramarz.de/urteil-des-lg-hamburg-ki-training-und-urheberrecht-ein-wegweisender-entscheid/

Fachartikel analysiert Schutz von KI-Inhalten & Text-Mining
Im Infodienst KI-Recht 01/2025 beleuchte ich rechtliche Rahmenbedingungen für KI-generierte Werke und §60d UrhG bei Trainingsdaten. ➡️ https://kanzlei-kramarz.de/ki-trifft-urheberrecht-einblick-in-meinen-artikel-im-infodienst-ki-recht-it-sicherheit-datenschutz/