Haftung des Veranstalters eines Festivals

Im Sommer 2022 finden seit langem wieder Musikfestivals statt. Die Bandbreite solcher Festivals ist groß. Für jeden Musikgeschmack wird etwas geboten. Viele wirklich kommerzielle Festivals konkurrieren mit kleiner Festivals, die lokal und oft ehrenamtlich organsiert werden.

Rechtlich steht der Veranstalter eines solchen Festivals in besonderer Verantwortung. Es gilt eine grundsätzliche rechtliche Überlegung:

„Derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, ist verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.“

Die sich daraus ergebenden Verkehrssicherungspflichten sind vielfältig und immer von der besonderen Situation der Veranstaltung abhängig. Der Bestand von Verkehrssicherungspflichten wird auch von der Eigenverantwortung beeinflusst, die jeder für sein eigenes Verhalten trägt. Das Verhalten von Künstlern auf der Bühne kann die Sicherheitslage im Ernstfall entscheidend beeinflussen (Artikel der FAZ (€)). Dazu kann ich die Dokumentation „Absolutes Fiasko: Woodstock `99“ auf Netflix empfehlen.

In der Vergangenheit wurden in Deutschland Fälle zur Haftung des Veranstalters wegen sog. „Stage-Diving“ und den sich daraus ergebenden Schäden verhandelt (LG Hechingen, Urteil vom 04.03.2002, Az.:  2 O 389/01; OLG Hamm, Urteil vom 29.10.2001, Az.: 13 U 146/01). Der Hörsturz nach einem Heavy-Metal Konzert war Gegenstand einer Entscheidung des LG Trier (Urteil vom 29.10.1992, Az.: 3 S 191/92) und später Gegenstand eines Revisionsverfahrens beim Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 13.03.2001, Az.: VI ZR 142/00). Das OLG München hatte über die Grenzen der Verkehrssicherungspflicht beim Aufstellen eines Wasserbeckens für die Besucher eines Technoevents zu entscheiden (OLG München, Urteil vom 18.04.1996, Az.: 19 U 5469/95).

Das aktuelle Urteil zur Haftung des Veranstalters bei Gewitter

Aktuell hatte das Landgericht in Frankfurt über die Haftung eines Festivalveranstalters zu entscheiden. Der Entscheidung (LG Frankfurt, Urteil vom 13.06.2022, Az.: 2-07 359/19) lag der Fall zu Grunde, dass es bei einem Festival im Jahr 2016 zu einem starken Gewitter gekommen war. Der Kläger war bei diesem Gewitter ein Blitz in den Kopf eingeschlagen. Aufgrund des Blitzeinschlags flog der Kläger mehrere Meter durch die Luft und erlitt einen Herzstillstand. Er musste wiederbelebt werden. Der Kläger lag dann einige Zeit im künstlichen Koma und nahm später an mehreren Reha-Maßnahmen teil. Er leidet an den Folgen des Vorfalls bis heute.

Zur Vorgeschichte hielt das Gericht fest: Bereits im Vorjahr war es bei dem Festival zu einem Blitzschlag gekommen, bei dem 33 Personen verletzt worden waren. Nach den Feststellungen des Gerichts war zu dem Gewitter im Jahr 2016 zuvor am Tag des Gewitters eine Unwetterwarnung des Deutschen Wetterdienst ergangen. Auf Seiten des Veranstalters war ein Meteorologe anwesend, der um 19:28 Uhr den Abbruch des Festivals empfohlen hatte. Die Räumung des Geländes erfolgte erst um 20:14 Uhr.

Aufgrund dieses Sachverhalts sprach das Landgericht Frankfurt ein Grundurteil. Damit wurde die Haftung des Veranstalters dem Grunde nach bestätigt. Der Veranstalter hat also alle Schäden zu ersetzen, die der Kläger in Folge des Blitzschlags erlitten hat. Die verspätete Warnung und Räumung des Geländes wurde als eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten des Veranstalters gewertet.