BGH: Entscheidungen zum Influencer-Marketing

Der Bundesgerichtshof hat am 9. September 2021 über mehrere Verfahren entschieden, die Rechtsfragen des Influencer-Marketings zum Gegenstand haben.

Veröffentlichungen von Influencern in sozialen Netzwerken waren in den vergangenen Jahren häufig Gegenstand von Abmahnungen und infolge der Abmahnung dann auch Gegenstand von Gerichtsprozessen. Im Mittelpunkt dieser Prozesse steht, ob die Veröffentlichungen der Influencer geschäftliche Handlungen im Sinne des Wettbewerbsrechts darstellen. Sofern Hinweise auf Produkte oder Unternehmen nicht nur aus rein privaten Gründen erfolgen, sondern einen geschäftlichen Hintergrund haben, sind entsprechende Veröffentlichungen als Werbung zu kennzeichnen.

Kennzeichnungspflichten für Werbung

Diese Verpflichtung ergibt sich rechtlich aus mehreren Gesichtspunkten, nämlich aus § 5a Abs.6 UWG sowie unter Umständen aus § 3a UWG iVm § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG sowie § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV bzw. § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung begründet aus Sicht des Wettbewerbsrechts die Verpflichtung zur Unterlassung dieses Verhaltens.

Das Besondere an der Werbung durch sogenannte Influencer ist, dass diese sich in sozialen Netzwerken präsentieren und Einblicke in ihr Privatleben geben. So wird ein Band des Vertrauens zu den jeweiligen Followern geknüpft und die Empfänglichkeit für Werbung durch den persönlichen Empfehlungscharakter bei den Followern gesteigert. Unstreitig ist ein solcher werbender Charakter eine Veröffentlichung eines Influencers gegeben, wenn der Influencer eine Gegenleistung für die Veröffentlichung erhalten hat. Daneben blieben aber verschiedene Konstellationen im Hinblick auf die Bewertung der geschäftlichen Handlung zwischen Oberlandesgerichten umstritten. Dazu der Bundesgerichtshof nun zu entscheiden.

Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs liegen mittlerweile vor.

Aus diesen lässt sich entnehmen, dass für die noch umstrittenen Konstellationen, nämlich der Konstellation, wenn ein Influencer keine Gegenleistung für eine Veröffentlichung erhält, die ein Unternehmen oder ein Produkt erwähnt und die Konstellation der Anbringung sogenannter „Tap Tags“ mit Verweisen auf Unternehmen oder Produkte nach den neuen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs nun folgendes gilt:

Werblicher Überschuss

  1. Auch wenn ein Influencer keine direkte Gegenleistung für eine Veröffentlichung erhalten hat, handelt es sich um eine kennzeichnungspflichtige Werbung, wenn ein Beitrag nach seinem Gesamteindruck übertrieben werblich ist. Übertrieben werblich ist ein solcher Beitrag, wenn er ohne jede kritische Distanz allein die Vorzüge eines Produkts in einer Weise lobend hervorhebt, dass die Darstellung den Rahmen einer sachlich veranlassten Information verlässt.
  2. Allein der Umstand, dass Bilder, auf denen Produkte abgebildet sind, mit sog. „Tap Tags“ versehen sind, reicht nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht für die Annahme eines „werblichen Überschusses“ aus. Ist jedoch direkt auf der Internetseite des Herstellers des abgebildeten Produkts verlinkt, ist regelmäßig ein werblicher Überschuss anzunehmen. Ob ein Beitrag übertrieben werblich ist oder nicht, wird in Zukunft anhand einer umfassenden Würdigung durch die Gerichte festzustellen sein.

 

In der Entscheidung mit dem Az.: I ZR 90/20 äußert sich das Gericht im Leitsatz e) ausführlich dazu, wann eine Veröffentlichung eines Influencers einen „werblichen Überschuss“ aufweist.

Ob ein Beitrag einer Influencerin in sozialen Medien einen zur Annahme einer geschäftlichen Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens erforderlichen werblichen Überschuss enthält, ist aufgrund einer umfassenden Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Zusammenwirkens der Gestaltungsmerkmale (z.B. gepostete Produktfotos, redaktioneller Kontext, Verlinkung auf Internetseiten von Drittunternehmen) zu beurteilen. Der Umstand, dass die Influencerin Bilder mit "Tap Tags" versehen hat, um die Hersteller der abgebildeten Waren zu bezeichnen, genügt als solcher nicht, um einen werblichen Überschuss der Instagram-Beiträge anzunehmen. Die Verlinkung auf eine Internetseite des Herstellers des abgebildeten Produkts beinhaltet hingegen regelmäßig einen werblichen Überschuss, auch wenn auf der verlinkten Seite des Herstellers der Erwerb von Produkten nicht unmittelbar möglich ist.

Auch zu der Frage, wie deutlich die Kennzeichnung als Werbung bei Nutzung sog. „Tap Tags“ erfolgen muss äußert sich der Gerichtshof.

Der nach § 5a Abs. 6 UWG erforderliche Hinweis auf den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung muss so deutlich erfolgen, dass er aus der Sicht des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbrauchers, der zur angesprochenen Gruppe gehört, auf den ersten Blick und zweifelsfrei hervortritt. Der im Textteil eines in sozialen Medien veröffentlichten Beitrags erscheinende Hinweis auf den kommerziellen Zweck reicht regelmäßig nicht aus, um den kommerziellen Zweck eines auf der neben dem Text angeordneten Abbildung erscheinenden "Tap Tags" als Werbung zu kennzeichnen.

Mit den Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof gezeigt, dass sich die Rechtsfragen rund um das sogenannte Influencer-Marketing mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts gut beantworten lassen. Der Gesetzgeber muss sich daher fragen lassen, weshalb er ein umfassendes Gesetzespaket auf den Weg gebracht hat um die vermeintlich neuen Rechtsfragen des Influencer-Marketings zu beantworten.

Die gewünschte Rechtssicherheit haben die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs gebracht.

Das neue Gesetzespaket hingegen sorgt für neue Verunsicherung und wird den Gerichten infolgedessen mehr Arbeit machen, als bei Festhalten an den hergebrachten Regelungen notwendig gewesen wäre. Influencer und Ihre Rechtsberater werden zukünftig zu berücksichtigen haben, dass mit dem Gesetzespaket zum UWG unter dem Titel „Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht„, die nun mit den Entscheidungen des BGH eingetretene Rechtssicherheit wieder passé ist. Denn mit In-Kraft-treten der Novelle am 28.05.2022 gilt die Vermutung des neuen § 5a Abs. 4 S. 3 UWG. 

Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat.

Ich biete Ihnen Beratung zu den Rechtsfragen des Influencer-Marketings, die Erstellung von entsprechenden Verträgen mit werbenden Unternehmen und die Vertretung Ihrer Interessen im Falle entsprechender Streitigkeiten über die Zulässigkeit von Werbemaßnahmen.