Das hessische Versammlungsfreiheitsgesetz

Versammlungsfreiheitsgesetz

Hessen hat nun ein Versammlungsgesetz – das erste auf Landesebene, denn erst seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 ist es den Ländern möglich, ein eigenes Versammlungsgesetz zu erlassen und damit das Versammlungsgesetz des Bundes zu ersetzen. Deswegen hat der Hessische Landtag am 21.03. mit den Stimmen der schwarz-grünen Landesregierung den Weg für das „Hessische Versammlungsfreiheitsgesetz“ freigemacht. Ein Freiheitsgesetz für Versammlungen? George Orwell grüßt aus dem Jenseits. Wäre es möglich mal ein „Gesetz für ehrliche Gesetzesbezeichnungen“ zu verabschieden?

Schwarz/Grün ist überzeugt

Die Regierung ist überzeugt von der Neuregelung. Innenminister Peter Beuth (CDU) betonte, so würde eine friedliche Demonstrationskultur gefördert und auch die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Versammlungsrecht gesetzlich festgeschrieben. Er ist der Ansicht, das Gesetz ermögliche und gewährleiste erst die Versammlungsfreiheit. Auch der Abgeordnete Lukas Schauder (Bündnis 90/Die Grünen) sieht im „Versammlungsfreiheitsgesetz“ eine sinnvolle Neuregelung.

Versammlungsfreiheits- oder Versammlungsbeschränkungsgesetz?

Auf Seiten der Opposition hegt sich wiederum starke Kritik. SPD, FDP und Linke sind der Meinung, der Titel des Gesetzes führe in die Irre, denn es solle ja gerade nicht die Versammlungsfreiheit gewährleistet, sondern beschränkt werden. Laut Thomas Schäfer (FDP) würden die polizeilichen Befugnisse dadurch, dass bei Demonstrationen nun Übersichtsbilder angefertigt werden dürfen, zu weit ausgebaut. Auch die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Heike Hofmann, ist der Ansicht, die Ausübung der Meinungsfreiheit werde durch das neue Gesetz erheblich erschwert. Die LINKE kündigte in Person von Torsten Felstehausen an, eine Klage vor dem Staatsgerichtshof vorzubereiten.

Der Gesetzentwurf

Doch was ist dran an den Stimmen aus Regierung und Opposition? Wird die Versammlungsfreiheit durch das neue Gesetz tatsächlich in unzulässiger Weise verengt oder doch vielmehr gewährleistet?

Als problematisch ist am beschlossenen Gesetz die Ausweitung der polizeilichen Befugnisse, insbesondere im Bereich der Bild- und Tonaufnahmen und in Bezug auf das Vermummungsverbot anzusehen. § 17 HVersFG sieht unter Bezugnahme auf die erhoffte Abschreckungswirkung vor, dass die Polizei Übersichtsaufnahmen aufzeichnen darf, wenn dies wegen Größe oder Unübersichtlichkeit der Versammlung erforderlich ist oder soweit tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von der Versammlung (…) erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen. Neben der Möglichkeit einer anlasslosen (!) Überwachung bei einer bestimmten Versammlungsgröße bedeutet das im Effekt, dass die Polizisten, sollten sie vor Ort aufgrund ihrer Erfahrungswerte solche Gefahren vermuten, die uneingeschränkte Aufzeichnungsbefugnis haben. Zwar wurde der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ grundsätzlich richterlich konkretisiert, allerdings liegt die Entscheidung, welche Tatsachen als Anhaltspunkte für eine mögliche Gefährdung gesehen werden, letztlich in der Hand der Polizisten. Weder dem Gesetz selbst noch der Gesetzesbegründung können mögliche Anwendungsfälle entnommen werden. Dies könnte auch eine enorme Abschreckungswirkung hinsichtlich der freien Meinungsäußerung entfalten – wer möchte dabei schon dauerhaft und umfassend überwacht werden?

Das Vermummungsverbot in § 18 II HVersFG ist eine zweite Norm, die durchaus kritisch gesehen werden kann. In der Gesetzesbegründung heißt es, Vermummung sei „eine Aufmachung, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern. Darunter fällt jedes künstliche Mittel, mit dem vor allem die Gesichtszüge unkenntlich gemacht oder verborgen werden.“ Beispielhaft nennt die Begründung Bemalen, Masken oder Verdecken des Gesichts durch Kapuzen, Mützen oder Schals. Jetzt könnte man sich fragen, ob schon ein Schal, den man im Winter zum Kälteschutz bei einer Versammlung trägt, unter dieses Verbot fällt – eine klare Antwort wird man darauf zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht bekommen. So ist der Bereich des relevanten Handels nicht klar genug umgrenzt und für den Bürger, der von seinem Versammlungsrecht Gebrauch machen möchte, undurchschaubar. Das stimmt vor allem im Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeit bedenklich.

Experten sind uneinig

In der mündlichen Anhörung am 06. Februar diesen Jahres zeigte sich ein gespaltenes Bild. Die geladenen Rechtswissenschaftler befanden das Gesetz überwiegend für zulässig, aber nicht unbedingt unproblematisch. Insbesondere Prof. Matthias Hong stützte im Hinblick auf den Titel die kritischen Stimmen der Opposition. Prof. Dr. Uwe Volkmann von der Goethe-Universität Frankfurt befand die Neuregelung auf Landesebene überhaupt nicht für notwendig, da die Probleme des Bundesgesetzes so auch nicht gelöst würden. Zudem warfen die Experten Bedenken an der Vereinbarkeit mit der Hessischen Verfassung und dem dort garantierten Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auf. Rechtsanwalt Jasper Prigge brachte zudem ins Spiel, dass Versammlungen nicht immer in ein „Verwaltungsverfahrenskorsett“ gezwungen werden könnten, sondern gesetzlich gewisse Entfaltungsmöglichkeiten offengelassen werden müssten. Dies lasse der Entwurf außer Acht.

 

Letztlich wird sich der Staatsgerichtshof, nachdem dies von der Linksfraktion angekündigt wurde, mit dem „Versammlungsfreiheitsgesetz“ beschäftigen müssen. Grundrechtsbruch oder Gewährleistung der Versammlungsfreiheit – auf eine endgültige gerichtliche Klärung dieser Frage werden wir noch einige Zeit warten müssen.

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