Bundesgerichtshof bestätigt: Fotografie, die nur noch über eine 70-Zeichen-Internetadresse abrufbar ist, verstößt nicht gegen zuvor abgegebene Unterlassungserklärung und löst damit keine Vertragsstrafe aus

Der Bundesgerichtshof hat eine zwischen verschiedenen Oberlandesgerichten umstrittene Rechtsfrage beantwortet. Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 27.05.2021, Az.: I ZR 119/20) verstößt die weiterer Veröffentlichung eines Lichtbilds durch den Schuldner einer Unterlassungserklärung nicht gegen dessen Selbstverpflichtung, die öffentliche Zugänglichmachung dieses Bildes zu unterlassen. Dies hatte das OLG Frankfurt am Main bereits so entschieden und wurde vom Bundesgerichtshof jetzt bestätigt.

Damit wenden die Gerichte die neuere Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs zur Definition der öffentlichen Zugänglichmachung auf die Auslegung des Versprechens aus einer Vertragsstrafe an. Nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichthofs müssen mit einer als „öffentlich“ zu beurteilenden Wiedergabe „recht viele Personen“ angesprochen werden. Der Begriff „öffentlich“ beinhaltet eine bestimmte Mindestschwelle und schließt eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen aus (EuGH, Urteil vom 26.4.2017; C-527/15, Stichting Brein, Rdnr. 44). Zur Klärung der damit in Zusammenhang stehenden Rechtsfragen hatte der europäische Gerichtshof nicht zuletzt in mehreren Verfahren zur Frage der Verpflichtung zur Zahlung des Rundfunkbeitrags Gelegenheit.

Folglich muss ein zu dieser Frage angerufenes Gericht zu diesen Umständen Feststellungen treffen können.

Entwarnung für Unterlassungsschuldner?

Eine Entwarnung sollten Unterlassungsschuldner dem Urteil nicht entnehmen. In dem Verfahren hatte es die Klageseite verabsäumt weiteren Vortrag zur Wahrnehmung des veröffentlichten Bildes zu bringen. Der Vortrag dazu war aus prozessualen Gründen verspätet. Zukünftig ist damit zu rechnen, dass Unterlassungsgläubiger ihren Vortrag zu diesem Punkt anders aufbauen werden und beispielweise mit der Auffindbarkeit über die Google Bildersuche argumentieren.

Jeder der eine Unterlassungserklärung abgibt, tut nach wie vor gut daran, alles in seiner Macht stehende zu unternehmen, um eine auch nur mögliche Verletzung des Unterlassungsversprechens auszuschließen. Dazu gehört auch die Kontrolle des sog. Deep-Links zu einer Bildveröffentlichung auf einer Internetseite.

Die Formulierung einer Unterlassungserklärung ist eine anspruchsvolle Tätigkeit, denn es gilt die Frage der Ausräumung der Wiederholungsgefahr im Auge zu behalten und dennoch das Beste zu tun, um den Interessen des Schuldners gerecht zu werden.