Rechtsprechung zur Filesharing-Abmahnung – Ihre Chancen, sich zu wehren
Im Zusammenhang mit Abmahnungen von Frommer Legal und Filesharing hat die Rechtsprechung in den letzten Jahren wichtige Entscheidungen getroffen. Diese Entscheidungen betreffen vor allem die Haftung des Anschlussinhabers und die Anforderungen an die Darlegungslast.
1. Tatsächliche Vermutung – Wer haftet für die Urheberrechtsverletzung?
Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte in seiner Entscheidung vom 12. Mai 2010 (Az. I ZR 121/08, „Sommer unseres Lebens“) klar, dass bei einer Urheberrechtsverletzung über einen Internetanschluss eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass der Anschlussinhaber für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Das bedeutet, dass der Anschlussinhaber zu diesem Zeitpunkt als „verdächtig“ gilt und sich verteidigen muss:
„Wird ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht zwar eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist.“
2. Sekundäre Darlegungslast – Der Anschlussinhaber muss erklären, was passiert ist
Die tatsächliche Vermutung entbindet den Anschlussinhaber jedoch nicht von der sekundären Darlegungslast. Diese besagt, dass der Anschlussinhaber darlegen muss, was genau zu dem Vorfall geführt hat. Der BGH stellte fest, dass der Anschlussinhaber nachweisen muss, ob jemand anderes auf den Anschluss zugegriffen hat:
„Daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen.“
Im Klartext bedeutet dies, dass Sie als Anschlussinhaber den Anwälten von Frommer Legal erklären müssen, wer alles Zugriff auf Ihren Internetanschluss hatte. War der Anschluss gesichert, und wer könnte in Betracht kommen, die Urheberrechtsverletzung begangen zu haben?
3. Haftung bei WLAN-Nutzung – Sicherheitsstandards beachten
Die Haftung des Anschlussinhabers kann sich auch auf die Nutzung des WLAN erstrecken. Wird der Internetanschluss über ein WLAN genutzt, muss der Anschlussinhaber sicherstellen, dass sein WLAN ausreichend gesichert ist. Der BGH entschied im Jahr 2010 (Az. I ZR 220/15), dass der Betreiber eines WLANs für eine unzureichende Absicherung haftet:
„Die Prüfpflicht des Beklagten bezieht sich aber auf die Einhaltung der im Kaufzeitpunkt des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen.“
Mit dem Urteil vom 24. November 2016 (Az. I ZR 220/15) stellte der BGH klar, dass ein WLAN als ausreichend gesichert gilt, wenn es mit einem individuellen Passwort verschlüsselt ist. Wenn Sie also ein WLAN betreiben, stellen Sie sicher, dass es nicht nur mit einem einfachen Standardpasswort ausgestattet ist.
4. Haftung der Eltern – Wenn ein minderjähriges Kind die Urheberrechtsverletzung begangen hat
Ein weiteres wichtiges Urteil betrifft die Haftung von Eltern. Wenn ein minderjähriges Kind für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist, kann die Haftung der Eltern in Betracht gezogen werden. Der BGH stellte in einem Urteil vom 15. November 2012 (Az. I ZR 74/12, „Morpheus“) klar, dass Eltern nur dann nicht haften, wenn sie ihr Kind über die Rechtswidrigkeit von Filesharing aufgeklärt haben:
„Eltern haften dann nicht für die Rechtsverletzung, die ihr minderjähriges Kind begangen hat, wenn das Kind vorher von den Eltern belehrt worden ist und über eine entsprechende Einsichtsfähigkeit verfügt.“
5. Verfassungsrechtliche Erwägungen – Die Rechte der Familie und die Haftung des Anschlussinhabers
Im Jahr 2019 wurde durch das Bundesverfassungsgericht (Az. 1 BvR 2556/17) ein wichtiger Beschluss gefasst, der sich mit der Haftung von Familienangehörigen im Kontext von Filesharing befasst. Im Verfahren ging es um ein Ehepaar, das eine Abmahnung aufgrund der Urheberrechtsverletzung eines ihrer Kinder erhalten hatte. Die Verfassungsbeschwerde wurde abgewiesen, da das Gericht der Ansicht war, dass der Anschlussinhaber die Sekundäre Darlegungslast zu erfüllen hat, auch wenn dies potenziell den Familienzusammenhalt belastet:
„Der Schutz des Art. 6 GG (Achtung des Familienlebens) steht der sekundären Darlegungslast nicht entgegen, da das Grundrecht des Eigentums (Art. 14 GG) der Klägerin Vorrang hat.“
6. Urteile zur sekundären Darlegungslast und Haftung – Die Anforderungen sind klar
In weiteren Urteilen hat der BGH immer wieder die sekundäre Darlegungslast konkretisiert. In seiner Entscheidung vom 26. Juli 2018 (Az. I ZR 64/17) bestätigte der BGH die Haftung des Anschlussinhabers, auch wenn Gäste oder Mitbewohner den Internetanschluss verwendet haben. Es wurde jedoch auch entschieden, dass die Belehrungspflicht gegenüber Gästen nicht besteht:
„Für den Wohnungsinhaber besteht auch unabhängig von einer familiären Beziehung gegenüber volljährigen Mitbewohnern und Gästen keine entsprechende Belehrungspflicht.“
7. EuGH-Urteil vom 18. Oktober 2018 – Haftung bei mehrfacher Nutzung des Anschlusses
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied im Oktober 2018 (Rs. C-149/17) zugunsten einer Haftung des Anschlussinhabers, auch wenn der Anschluss von mehreren Familienmitgliedern genutzt wurde:
„Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist der Inhaber eines Internetanschlusses in einem solchen Fall für die über den Internetanschluss begangene Urheberrechtsverletzung verantwortlich.“