BGH-Urteile zur Wagenfeld-Leuchte

Der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigte sich in zwei Verfahren mit urheberrechtlichen Fragestellungen rund um Nachbildungen der Wagenfeld-Leuchte. Das Gericht entschied, dass Werbung für Nachbildungen der Bauhaus-Leuchte an potentielle Kunden in Deutschland das Urheberrecht verletzt, auch wenn die beworbenen Nachbildungen nur im Ausland erworben werden können.

Die Wagenfeld-Leuchte

Die Wagenfeld-Leuchte ist ein nach ihrem Designer Wilhelm Wagenfeld benannter Klassiker des deutschen Produktdesigns der Moderne. Wagenfeld wurde am 15.04.1900 in Bremen geboren und starb 1990 in Stuttgart. Der Produktdesigner entwarf die Leuchte ab 1923 gemeinsam mit Carl Jakob Jucker am Weimarer Bauhaus. Die Tischleuchte folgt dem Ansatz „Form folgt Funktion“ und ist für ihren kugelförmigen Lampenschirm aus trübem Glas bekannt.

Durch ihre Gestaltung ist die Wagenfeld-Leuchte in Deutschland als Werk der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt. Der urheberrechtliche Schutz dauert nach dem Tod des Urhebers weitere 70 Jahre an (§ 64 UrhG), weshalb die Wagenfeld-Leuchte auch heute noch Schutz genießt. Inhaber der Urheberrechte an der Leuchte ist das Bremer Unternehmen TECNOLUMEN. Der Schutz in Deutschland erstreckt sich jedoch nicht automatisch auf andere Staaten. Deshalb werden im Ausland Nachbildungen der Lampe hergestellt, die auch in Deutschland angeboten wurden, was zu den Verfahren vor dem BGH führte. Die in Deutschland hergestellten Lampen lassen sich anhand einiger Merkmale von den Nachbildungen aus dem Ausland unterscheiden.

Das erste Verfahren zur Wagenfeld-Leuchte

Am 15. Februar 2007 (BGH, Urteil vom 15.2.2007, Az.: I ZR 114/04) entschied der BGH, dass das inländische Anbieten von Vervielfältigungsstücken eines in Deutschland urheberrechtlich geschützten Werks der angewandten Kunst die Rechte des Urhebers auch dann verletzt, wenn die Veräußerung des Vervielfältigungsstücks nur im Ausland erfolgt und das Werk dort keinen Schutz genießt.

Nach §§ 15 Abs. 1 Nr. 2, 17 UrhG hat der Urheber das ausschließliche Recht, Vervielfältigungen eines Werkes anzubieten und in den Verkehr zu bringen. Das bedeutet, dass Nachbildungen der Wagenfeld-Leuchte in Deutschland nur von den Inhabern der Verwertungsrechte beworben und verkauft werden dürfen. Ist das Werk in einem anderen Land dagegen nicht geschützt, dürfen Nachbildungen des Originals dort grundsätzlich angeboten und verkauft werden.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall stellte ein italienisches Unternehmen Nachbildungen der Wagenfeld-Leuchte her und bot diese zulässigerweise in Italien zum Verkauf an. Problematisch war jedoch, dass das Unternehmen auf einer deutschsprachigen Internetseite und in deutschen Printmedien Werbung für die Nachbildungen machte und deutschen Kunden anbot, die Lampen in Italien kaufen zu können, indem sie diese selbst abholen oder einen Transporteur mit der Lieferung nach Deutschland beauftragen.

Gegen dieses Vorgehen klagten der von Wilhelm Wagenfeld ernannte Testamentsvollstrecker und der Produzent der Bauhaus-Leuchte, der über ausschließliche Nutzungsrechte an den Leuchten Wagenfelds verfügt und alle anderen Personen von der Nutzung des Werks ausschließen kann (§ 31 Abs. 3 UrhG). Die Klägerinnen forderten von der Beklagten:

  1. die Unterlassung des Anbietens von Nachbildungen der Wagenfeld-Leuchte in Deutschland,
  2. Auskunft über den Umfang des bisherigen Anbietens solcher Nachbildungen in Deutschland,
  3. und den Ersatz des Schadens, der ihnen durch das Vorgehen der Beklagten entstanden ist und in Zukunft noch entstehen wird.

Die Beklagte wendete ein, dass die Leuchten nicht in Deutschland in Verkehr gebracht würden, da die Übereignung in Italien stattfinde und deshalb nicht das Verbreitungsrecht (§ 17 UrhG) betroffen sei.

Zuständigkeit deutscher Gerichte

Obwohl die nachgebildeten Leuchten von der Beklagten in Italien verkauft wurden, sind deutsche Gerichte zuständig, denn die Urheberrechtsverletzungen sind in Deutschland eingetreten. Die Brüssel-Ia-Verordnung der Europäischen Union bestimmt die internationale Zuständigkeit der Gerichte innerhalb der EU, wenn ein Beklagter seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der EU hat. Ist eine Urheberrechtsverletzung Gegenstand des Gerichtsverfahrens, kann eine Person, die ihren Wohnsitz in einem EU-Mitgliedstaat hat, gemäß Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden. Daher konnte das italienische Unternehmen hier in Deutschland angeklagt werden.

Prozessverlauf

Das in erster Instanz zuständige Landgericht Hamburg hatte die Klage abgewiesen. Auch die Berufung beim Oberlandesgericht Hamburg war erfolglos, da das Gericht das Bewerben der Leuchten in Deutschland auf Grund des Verkaufs in Italien nicht als urheberrechtswidrige Verbreitung des Werks ansah. Die Klägerinnen legten deshalb Revision vor dem BGH ein und verfolgten ihre drei Forderungen weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Jahr 2007

Der BGH entschied im Gegensatz zu den Vorinstanzen weitestgehend zugunsten der Klägerinnen und bejahte die Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz aus §§ 15 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 97 Abs. 1 S. 1 UrhG. Den Antrag auf Auskunft wies der BGH jedoch mangels hinreichender Bestimmtheit als unzulässig ab.

Nach Ansicht des BGH erfüllt das Bewerben der Nachbildungen der Wagenfeld-Leuchte in Deutschland durch die Beklagte das Tatbestandsmerkmal des Anbietens im Sinne des § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG, da es sich um ein Anbieten nicht erst bei einem konkreten Vertragsangebot, sondern auch bei Werbemaßnahmen handele. Dass der Erwerb im Ausland stattfindet und das Werk dort nicht urheberrechtlich geschützt ist, ändere daran nichts, denn das Anbieten sei neben dem Inverkehrbringen gemäß § 17 Abs. 1 UrhG eigenständig. Dadurch dass es gemäß §§ 15 Abs. 1 Nr. 2, 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG allen anderen verboten ist, Vervielfältigungen des Werkes anzubieten, solle der Rechteinhaber vor Gefährdungen seiner wirtschaftlichen Chancen, die sich bereits aus dem Angebot ergeben, geschützt werden. Die inländische Werbung für den Erwerb im Ausland könne bereits die wirtschaftliche Verwertung des Werkes beeinträchtigen und verletze daher das Recht zur Verbreitung des Werks.

Ergänzung der Rechtsprechung im Jahr 2015

In seinem zweiten Urteil zur Wagenfeld-Leuchte (BGH, Urteil vom 5.11.2015, Az.: I ZR 76/11) entschied der BGH über einen gleichgelagerten Sachverhalt. Jetzt klagten der Testamentsvollstrecker Wagenfelds und der berechtigte Produzent der Wagenfeld-Leuchte neben dem italienischen Hersteller der Nachbildungen auch gegen die Spedition, die mit dem Transport der Lampen nach Deutschland beauftragt war. Der BGH entschied, dass das Angebot, sich die nachgebildeten Lampen nach Deutschland liefern zu lassen, auch ein „Inverkehrbringen“ im Sinne des § 17 Abs. 1 Fall 2 UrhG darstellt. Das hat zur Folge, dass die Spedition Gehilfe oder Mittäter des Herstellers sein kann. Das wäre nicht möglich, wenn nur das Anbieten gemäß § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG erfüllt wäre, da die Spedition hieran nicht beteiligt war.

Fazit

Nach der Rechtsprechung des BGH verletzt das Anbieten von Vervielfältigungsstücken eines in Deutschland geschützten Werks der bildenden Kunst durch Werbung das Urheberrecht, wenn die Werbung an die deutsche Öffentlichkeit gerichtet ist und der Erwerb von Nachbildungen des Werks durch Selbstabholung im Ausland oder durch eine Lieferung nach Deutschland angeboten wird. Ein solches Anbieten verletzt beide in § 17 Abs. 1 UrhG genannten Fälle des urheberrechtlichen Verbreitungsrechts.

Urheberrechtsberechtigte können sich also mit Klagen auf Unterlassung und Schadensersatz gegen solche Geschäftspraktiken zur Wehr setzen. Die Urteile begründen aber keine Verletzung des Urheberrechts, wenn das Werk im Ausland keinen urheberrechtlichen Schutz genießt und nicht im Inland zum Erwerb angeboten wird.